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1 Überblick

Die Stagnation der Wirtschaft des Euroraums Ende 2023 war unter anderem auf restriktive Finanzierungsbedingungen, ein geringes Vertrauen und frühere Verluste an Wettbewerbsfähigkeit zurückzuführen. Aktuelle Daten deuten darauf hin, dass sich die Erholung auf kurze Sicht langsamer vollziehen wird als in den Projektionen vom Dezember 2023 erwartet. Dennoch wird das Wirtschaftswachstum den Projektionen zufolge im laufenden Jahr allmählich anziehen, da das real verfügbare Einkommen infolge des Inflationsrückgangs und des kräftigen Lohnwachstums steigt und sich die Terms of Trade verbessern. Es ist unwahrscheinlich, dass die derzeitigen Störungen des Schiffsverkehrs im Roten Meer erneut erhebliche Angebotsengpässe nach sich ziehen. Daher dürfte das Exportwachstum mit steigender Auslandsnachfrage aufholen. Es wird davon ausgegangen, dass die Erholung mittelfristig auch durch das allmähliche Abklingen der Auswirkungen der geldpolitischen Straffung der EZB gestützt wird. Insgesamt dürfte das durchschnittliche jährliche Wachstum des realen BIP im Jahr 2024 bei 0,6 % liegen. In den Jahren 2025 und 2026 dürfte es dann auf 1,5 % bzw. 1,6 % steigen. Im Vergleich zu den Projektionen vom Dezember 2023 wurden die Aussichten für das BIP-Wachstum für das laufende Jahr nach unten korrigiert. Dies ist auf Überhangseffekte durch unerwartet negative Daten in der Vergangenheit sowie schwächere zukunftsgerichtete Informationen zurückzuführen. Für 2025 bleiben die Aussichten unverändert, für 2026 wurden sie leicht nach oben korrigiert.[1]

Die Inflation wird sich den Projektionen zufolge weiter abschwächen, wenn auch langsamer als 2023, da der Preisdruck und die Auswirkungen der geldpolitischen Straffung weiter nachlassen. Der Preisdruck dürfte weiter abnehmen, da die Störungen des Schiffsverkehrs im Roten Meer nur einen begrenzten Aufwärtseffekt haben dürften. Angesichts sinkender Energiepreise dürfte die starke Arbeitskostenentwicklung die Haupttriebfeder der am Harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI) ohne Energie und Nahrungsmittel gemessenen Inflation sein. Das Wachstum der Nominallöhne dürfte aufgrund der immer noch angespannten Lage am Arbeitsmarkt auf erhöhtem Niveau verharren. Es sollte sich aber über den Projektionszeitraum hinweg allmählich abschwächen, da der vom Inflationsausgleich ausgehende Aufwärtsdruck nachlässt. Eine Erholung des Produktivitätswachstums sollte zur Verringerung des Arbeitskostendrucks beitragen. Das Gewinnwachstum dürfte über den Projektionszeitraum hinweg schwächer werden und einen Puffer für die Weitergabe der Arbeitskosten darstellen. Die jährliche HVPI-Gesamtinflation dürfte von durchschnittlich 5,4 % (2023) auf 2,3 % (2024), 2,0 % (2025) bzw. 1,9 % (2026) zurückgehen. Angesichts der schwachen Aussichten für die Energiepreisinflation dürfte die Gesamtinflation über den gesamten Projektionszeitraum hinweg unter der HVPI-Inflation ohne Energie und Nahrungsmittel liegen. Gegenüber den Projektionen vom Dezember 2023 wurde die HVPI-Inflation für 2024 und 2025 nach unten korrigiert. Dies ist in erster Linie auf die direkten und indirekten Auswirkungen der niedrigeren Annahmen bezüglich der Preise für Energierohstoffe und einen geringeren Arbeitskostendruck zurückzuführen. Für 2026 bleibt die Projektion unverändert.

Tabelle 1

Projektionen für das Wachstum und die Inflation im Euroraum

(Veränderungen gegen Vorjahr in %)

März 2024

Dezember 2023

2022

2023

2024

2025

2026

2023

2024

2025

2026

Reales BIP

3,4

0,5

0,6

1,5

1,6

0,6

0,8

1,5

1,5

HVPI

8,4

5,4

2,3

2,0

1,9

5,4

2,7

2,1

1,9

Anmerkung: Die Zahlen für das reale BIP beziehen sich auf die Jahresdurchschnittswerte der saison- und arbeitstäglich bereinigten Daten. Aufgrund von Daten, die erst nach dem Redaktionsschluss der Projektionen veröffentlicht wurden, können historische Daten von den jüngsten Eurostat-Veröffentlichungen abweichen. Die Daten, darunter auch vierteljährliche Daten, können über die Macroeconomic Projection Database auf der Website der EZB heruntergeladen werden.

2 Realwirtschaft

Die Konjunktur im Euroraum stagnierte im vierten Quartal 2023. Vermutlich ist dies darauf zurückzuführen, dass die leicht positiven Beiträge der Binnennachfrage und der Nettoexporte durch einen anhaltenden Lagerabbau ausgeglichen wurden (siehe Abbildung 1).[2] Der Schnellschätzung von Eurostat zufolge lag das vierteljährliche Wachstum im Schlussquartal 2023 bei 0,0 % und damit leicht unter dem in den Projektionen vom Dezember 2023 erwarteten Wert von 0,1 %. Die Produktion in der Industrie (ohne Baugewerbe) im Euroraum blieb im vierten Quartal 2023 unverändert, wobei ein Anstieg im Dezember auf eine mögliche Trendwende schließen lässt. Im Gegensatz dazu setzten die Produktion im Baugewerbe und die Einzelhandelsumsätze ihren Abwärtstrend fort. Die Produktion im Dienstleistungssektor kehrte sich gegen Jahresende 2023 ins Negative. Während die Ausfuhren weiterhin leicht hinter der Auslandsnachfrage zurückblieben, schlug sich ein gewisser geschätzter Lagerabbau, der sich vermutlich Ende 2023 fortsetzte,[3] in schwachen Einfuhren nieder. Somit hätte der negative Beitrag der Vorratsveränderungen den leichten Anstieg der Binnennachfrage und des Außenbeitrags ausgeglichen.

Abbildung 1

Wachstum des realen BIP im Euroraum

(Veränderung gegen Vorquartal in %, saison- und arbeitstäglich bereinigte Quartalswerte)

Anmerkung: Historische Daten können von den jüngsten Eurostat-Veröffentlichungen abweichen. Die vertikale Linie markiert den Beginn des aktuellen Projektionszeitraums. Die Bandbreiten rund um die zentralen Projektionen zeigen den Grad der Unsicherheit an und sind symmetrisch angeordnet. Sie basieren auf früheren Projektionsfehlern und sind um Ausreißer bereinigt. Die Bänder (von dunkel bis hell) zeigen die Wahrscheinlichkeit (von 30 %, 60 % bzw. 90 %) an, mit der das Wachstum des realen BIP im jeweiligen Intervall liegt. Weitere Einzelheiten hierzu finden sich in EZB, Gesamtwirtschaftliche Euroraum-Projektionen von Fachleuten der EZB, Kasten 6, März 2023.

Es wird erwartet, dass das Wachstum des realen BIP Anfang 2024 verhalten bleibt. Hintergrund sind das Nachlassen stützender Faktoren sowie restriktive Finanzierungsbedingungen. Danach dürfte es sich beleben, getragen durch das steigende Einkommen der privaten Haushalte, höhere Konsumausgaben des Staates und eine regere Auslandsnachfrage. Die Konjunkturbelebung infolge des Wiederhochfahrens der Wirtschaft nach der Pandemie hat an Schwung verloren. Die restriktiven Finanzierungsbedingungen und die erhöhte Unsicherheit der Verbraucher haben indessen weiterhin eine deutlich bremsende Wirkung. Die zukunftsgerichteten Umfrageindikatoren sind im Januar und Februar 2024 im Durchschnitt kontraktiv geblieben. Dennoch dürften der Rückgang der Inflation und ein robustes Lohnwachstum angesichts einer immer noch angespannten Arbeitsmarktlage die Kaufkraft der privaten Haushalte in der ersten Jahreshälfte 2024 stützen. Es wird daher erwartet, dass die Konjunktur in erster Linie vom Konsum der privaten Haushalte gestützt wird. In der zweiten Jahreshälfte 2024 dürfte sich das Wachstum angesichts steigender privater Konsumausgaben weiter leicht beschleunigen. Hintergrund ist ein Anstieg des real verfügbaren Einkommens und die Erwartung, dass sich das Vertrauen erholt. Auch die Konsumausgaben des Staates werden den Projektionen zufolge im Laufe dieses Jahres ansteigen. Dies ist teilweise auf den verzögerten Inflationsausgleich bei den Löhnen im öffentlichen Sektor zurückzuführen. Die Exporte dürften hingegen weiter zur Auslandsnachfrage aufschließen. Auf mittlere Sicht dürfte das Wachstum des realen BIP weiter anziehen und ein Niveau leicht über dem vor der Pandemie verzeichneten Durchschnitt erreichen. Getragen wird diese Entwicklung durch steigende Realeinkommen, eine Belebung der Auslandsnachfrage und einen weniger stark bremsenden Effekt der Geld- und Finanzpolitik (siehe Tabelle 2). Die Rücknahme von finanzpolitischen Stützungsmaßnahmen, die seit 2022 zum Ausgleich der hohen Inflation und der hohen Energiepreise ergriffen wurden, wird sich im Zeitraum 2024 bis 2026 leicht negativ auf das Wachstum auswirken. Insgesamt wird der finanzpolitische Kurs in den Jahren 2025 und 2026 jedoch weitgehend neutral sein.

Es wird erwartet, dass die Finanzierungsbedingungen, insbesondere die hohen Zinsen, weiterhin deutlich negative Auswirkungen auf das Wachstum haben werden. Diese werden über den Projektionszeitraum hinweg nur nach und nach abklingen. Die seit Dezember 2021 ergriffenen geldpolitischen Maßnahmen schlagen weiterhin auf die Realwirtschaft durch, was die Wachstumsaussichten beeinflusst, vor allem jene für 2024.[4] Darüber hinaus haben sich die Kreditangebotsbedingungen seit Ende 2022 deutlich verschärft. Wie aus der jüngsten Umfrage der EZB zum Kreditgeschäft im Euroraum hervorgeht, hat das Tempo der Verschärfung aber in letzter Zeit abgenommen. Den Annahmen zufolge werden sich die negativen Kreditangebotseffekte vor allem auf die Unternehmens- und Wohnungsbauinvestitionen und in geringerem Maße auch auf die privaten Konsumausgaben auswirken. Ausgehend von den Markterwartungen zur künftigen Zinsentwicklung (siehe Kasten 1) dürften die negativen Auswirkungen der Geldpolitik und der Kreditangebotsbedingungen auf das Wirtschaftswachstum im Laufe des Jahres 2024 allmählich nachlassen. Der genaue Zeitverlauf und das Ausmaß dieser Entwicklung sind allerdings noch mit erheblicher Unsicherheit behaftet. Daher hängt der projizierte Anstieg des BIP-Wachstums auf mittlere Sicht teilweise mit dem Nachlassen dieser dämpfenden Effekte zusammen.

Gegenüber den Projektionen vom Dezember 2023 wurde das Wachstum des realen BIP für 2024 um 0,2 Prozentpunkte nach unten korrigiert. Für 2025 bleibt es unverändert und für 2026 wurde es um 0,1 Prozentpunkte nach oben korrigiert. Die Korrekturen für 2024 spiegeln die Überhangseffekte aus den jüngsten, schwächer als erwartet ausgefallenen Daten für 2023 sowie eine Abwärtskorrektur des vierteljährlichen BIP-Wachstums auf kurze Sicht wider, da die Umfrageindikatoren nach wie vor verhalten sind. Die negativer als erwarteten Ergebnisse, auch bei den zukunftsgerichteten Indikatoren aus Unternehmens- und Haushaltsumfragen, deuten auf Abwärtskorrekturen der Binnennachfrage hin. Diese werden teilweise durch geringfügige Aufwärtskorrekturen des Außenbeitrags ausgeglichen. Der geringere bremsende Effekt durch die Finanzierungsbedingungen und die niedrigeren Rohstoffpreise hat dazu geführt, dass die privaten Konsumausgaben und die Investitionen für 2026 geringfügig nach oben korrigiert wurden.

Tabelle 2

Projektionen für das reale BIP, die Arbeitsmärkte und den Handel

(soweit nicht anders angegeben, Veränderung gegen Vorjahr in %)

März 2024

Dezember 2023

2022

2023

2024

2025

2026

2023

2024

2025

2026

Reales BIP

3,4

0,5

0,6

1,5

1,6

0,6

0,8

1,5

1,5

Private Konsumausgaben

4,2

0,5

1,2

1,6

1,5

0,5

1,4

1,6

1,4

Konsumausgaben des Staates

1,6

0,2

1,3

1,4

1,2

0,1

1,1

1,3

1,2

Bruttoanlageinvestitionen

2,8

0,8

-0,6

1,6

2,3

1,3

0,4

1,8

2,1

Ausfuhren1)

7,4

-0,7

1,0

2,9

3,2

-0,4

1,1

2,9

3,0

Einfuhren1)

8,1

-1,3

1,0

3,1

3,2

-0,9

1,7

3,1

3,0

Beschäftigung

2,3

1,4

0,5

0,3

0,4

1,4

0,4

0,4

0,4

Arbeitslosenquote (in % der Erwerbspersonen)

6,7

6,5

6,7

6,6

6,6

6,5

6,6

6,5

6,4

Leistungsbilanzsaldo (in % des BIP)

-0,6

1,8

3,2

3,2

3,1

1,2

1,0

1,0

1,1

Anmerkung: Die Zahlen für das reale BIP und seine Komponenten beziehen sich auf saison- und arbeitstäglich bereinigte Daten. Aufgrund von Daten, die erst nach dem Redaktionsschluss der Projektionen veröffentlicht wurden, können historische Daten von den jüngsten Eurostat-Veröffentlichungen abweichen. Die Daten, darunter auch Quartalswerte, können über die Macroeconomic Projection Database auf der Website der EZB abgerufen werden.
1) Einschließlich des Handels der Länder des Euroraums untereinander.

Was die Komponenten des realen BIP betrifft, so dürften die realen privaten Konsumausgaben die Haupttriebfeder des Wirtschaftswachstums sein, getragen durch ein kräftiges Wachstum des realen Einkommens und ein wachsendes Verbrauchervertrauen. Laut Schätzungen sind die privaten Konsumausgaben im Schlussquartal 2023 gestiegen. Sie werden den Projektionen zufolge in den kommenden Quartalen allmählich anziehen. Dies ist auf den Rückgang der Inflation und den insgesamt weiter robusten Arbeitsmarkt zurückzuführen. Darüber hinaus dürften die nachlassende Unsicherheit und das zunehmende Verbrauchervertrauen die privaten Konsumausgaben zusätzlich stützen. Deren Jahreswachstumsraten dürften in den Jahren 2025 und 2026 deutlich über dem Durchschnitt aus der Zeit vor der Pandemie liegen. Gegenüber den Projektionen vom Dezember 2023 wurde das Wachstum der privaten Konsumausgaben für 2024 um 0,2 Prozentpunkte nach unten korrigiert. Dies ist hauptsächlich auf die Entwicklung in der ersten Jahreshälfte zurückzuführen, die schwächer ausfiel als erwartet. Für 2026 wurde es geringfügig nach oben korrigiert. Hintergrund ist die Erwartung, dass sich das Ausgabenverhalten der privaten Haushalte etwas schneller normalisiert. Dies spiegelt sich in einem etwas stärkeren Rückgang der Sparquote der privaten Haushalte wider.

Schätzungen zufolge ist das real verfügbare Einkommen im Jahr 2023 gestiegen und wird den Projektionen zufolge in den kommenden Jahren weiter zunehmen. Grund hierfür sind der Inflationsrückgang und das robuste Lohnwachstum. Die Ersparnisse dürften indes über den gesamten Projektionszeitraum hinweg auf erhöhtem Niveau bleiben. Das real verfügbare Einkommen dürfte sich 2023 erholt haben, getragen vom kräftigen Wachstum der Arbeits- und Nichtarbeitseinkommen sowie der sinkenden Inflation. Das Nichtarbeitseinkommen (z. B. Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit und finanziellen Vermögenswerten) sowie das kräftige Lohnwachstum dürften die Kaufkraft der privaten Haushalte auf kurze Sicht stützen. Die Sparquote dürfte 2024 erhöht bleiben. Darin spiegeln sich die nach wie vor hohe Unsicherheit und die starken Sparanreize aufgrund der hohen Zinssätze und des erschwerten Zugangs zu Krediten wider. Auch die immer noch steigenden Nichtarbeitseinkommen (aufgrund der hohen Neigung der Verbraucher, diese Art Einkommen zu sparen) spielen hierbei eine Rolle. Ab 2025, wenn die Unsicherheit und der Inflationsdruck nachlassen und sich das Konsumverhalten allmählich normalisiert, dürfte die Sparquote der privaten Haushalte leicht sinken. Es wird jedoch projiziert, dass sie über den gesamten Projektionszeitraum hinweg über dem Niveau vor der Pandemie bleiben wird, da höhere Zinsen dem Wunsch der privaten Haushalte entgegenwirken, ihr Sparverhalten nach der Pandemie zu normalisieren. Die akkumulierten Ersparnisse werden das Wachstum der Konsumausgaben vermutlich nicht stützen, da sie auf vermögende Haushalte konzentriert sind und überwiegend in Form illiquider Vermögenswerte gehalten werden. In der Vergangenheit wirkten sich hohe Inflationsraten auch dämpfend auf den realen Bestand an Ersparnissen aus.

Kasten 1
Technische Annahmen im Hinblick auf Zinssätze, Rohstoffpreise und Wechselkurse

Im Vergleich zu den Projektionen vom Dezember 2023 umfassen die technischen Annahmen niedrigere Zinssätze und Ölpreise sowie eine geringfügige Abwertung des Euro. Die technischen Annahmen zu den Zinssätzen und Rohstoffpreisen beruhen auf den Markterwartungen. Redaktionsschluss war der 9. Februar 2024. Die Kurzfristzinsen werden am Dreimonats-EURIBOR gemessen, und die Markterwartungen sind von den Zinssätzen für Terminkontrakte abgeleitet. Für die langfristigen Zinssätze wird als Näherungswert auf die Renditen zehnjähriger Staatsanleihen zurückgegriffen.[5] Die Annahmen sowohl für die kurz- als auch für die langfristigen Zinssätze wurden über den Projektionszeitraum hinweg um rund 20 bis 40 Basispunkte nach unten korrigiert.

Tabelle

Technische Annahmen

März 2024

Dezember 2023

2023

2024

2025

2026

2023

2024

2025

2026

Dreimonats-EURIBOR (in % p. a.)

3,4

3,4

2,4

2,4

3,4

3,6

2,8

2,7

Renditen zehnjähriger Staatsanleihen (in % p. a.)

3,1

2,9

3,0

3,2

3,2

3,2

3,3

3,4

Ölpreis (in USD/Barrel)

83,7

79,7

74,9

72,2

84,0

80,1

76,5

73,6

Erdgaspreise (in EUR/MWh)

41

30

32

30

42

47

44

37

Großhandelspreise für Strom (in EUR/MWh)

103

74

78

71

105

117

111

98

Preise für Rohstoffe ohne Energie (in USD) (Veränderung gegen Vorjahr in %)

-12,5

0,6

2,0

0,1

-13,2

-2,3

2,4

1,7

Preise der im EU-EHS gehandelten Emissionszertifikate (in EUR/Tonne)

83,7

58,6

60,0

61,8

84,0

78,4

82,0

85,2

EUR/USD-Wechselkurs

1,08

1,08

1,08

1,08

1,08

1,08

1,08

1,08

Nominaler effektiver Wechselkurs des Euro (EWK-41) (Q1 1999 = 100)

121,8

123,1

123,1

123,1

121,9

123,5

123,5

123,5

Anmerkung: Die Daten können über die Macroeconomic Projection Database auf der Website der EZB abgerufen werden.

Gegenüber den Projektionen vom Dezember 2023 wurden die technischen Annahmen für die Ölpreise leicht sowie für die Großhandelspreise für Gas und Strom deutlich nach unten korrigiert.[6] Die Abwärtskorrektur der Ölpreise spiegelt die schwache globale Ölnachfrage, das hohe Ölangebot aus den Vereinigten Staaten und ein (laut Prognose der Internationalen Energieagentur) weltweites Ölüberangebot von 0,5 % der weltweiten Nachfrage im Jahr 2024 wider. Dieses Überangebot wird projiziert, obwohl die OPEC+ Ende November 2023 für das erste Quartal 2024 eine Drosselung des Ölangebots angekündigt hat. Diese Faktoren wogen stärker als der Aufwärtsdruck auf die Ölpreise. Dieser ergab sich aus den angebotsseitigen Risiken im Zusammenhang mit der politischen Instabilität im Nahen Osten. Zu diesen Risiken zählen die Angriffe auf Schiffe im Roten Meer und am Golf von Aden, die in jüngster Zeit zugenommen haben. Insgesamt hat sich die Öl-Terminkurve seit den Projektionen vom Dezember 2023 nach unten verschoben (um 0,5 % für 2024 und etwa 2 % für 2025 und 2026) und ist weiterhin abwärtsgerichtet. Die Gaspreise sind stärker nach unten korrigiert worden. Obwohl in Europa Anfang 2024 eine Zeit lang kälteres Wetter herrschte, blieb der Gasverbrauch unter den historischen Normwerten. Dies ist auf die geringe Aktivität in der Industrie, aber auch auf längerfristigere Verhaltensänderungen der Verbraucher nach der Phase hoher Gaspreise zurückzuführen. Insgesamt hat sich die Gas-Terminkurve seit den Dezember-Projektionen nach unten verschoben (um durchschnittlich rund 30 % für die Jahre 2024 bis 2026). Die Terminkontrakte für Strom wurden in ähnlichem Umfang nach unten korrigiert. Die Preise für CO2-Emissionszertifikate im Rahmen des EU-Emissionshandelssystems liegen etwa 27 % unter der in den Dezember-Projektionen angenommenen Entwicklung. Sie dürften über den Projektionszeitraum hinweg weitgehend stabil bleiben.

Die Annahmen zu den Rohstoffpreisen ohne Energie sind gegenüber den Projektionen vom vergangenen Dezember für 2024 nach oben und für die beiden Folgejahre nach unten korrigiert worden. Hintergrund ist die baldige Verknappung von Metall- und Nahrungsmittelrohstoffen auf den internationalen Märkten. Die Aufwärtskorrektur für 2024 ist auf höhere Metallpreise zurückzuführen, vor allem infolge eines erwarteten Mangels am Weltmarkt für Kupfer. Aber auch höhere Preise für Nahrungsmittelrohstoffe spielen hier eine Rolle. Sie gehen insbesondere auf die infolge ernsthafter Versorgungsunterbrechungen in Westafrika stark gestiegenen Kakaopreise zurück. Es wird davon ausgegangen, dass dieser Aufwärtsdruck auf die Preise über den Projektionszeitraum hinweg immer mehr nachlässt.

Es wird angenommen, dass die bilateralen Wechselkurse über den Projektionszeitraum hinweg unverändert auf dem durchschnittlichen Niveau bleiben, das in den zehn Arbeitstagen bis zum Redaktionsschluss verzeichnet worden war. Dies impliziert einen EUR/USD-Wechselkurs von 1,08 über den Projektionszeitraum hinweg, der damit um 0,3 % unter dem im Dezember 2023 projizierten Wert liegt. Die Annahme bezüglich des effektiven Wechselkurses des Euro impliziert eine Abwertung um 0,3 bis 0,4 % gegenüber den Projektionen vom Dezember 2023.

Die Wohnungsbauinvestitionen werden den Projektionen zufolge 2024 weiter zurückgehen und sich 2025 und 2026 erholen, wenn die restriktiven Finanzierungsbedingungen allmählich gelockert werden und die Einkommen der privaten Haushalte kräftig ansteigen. Nachdem sie bereits in den beiden Vorquartalen geschrumpft waren, dürften die Wohnungsbauinvestitionen im Schlussquartal 2023 erneut zurückgegangen sein. Dieser Abwärtstrend dürfte sich 2024 fortsetzen. Grund hierfür ist die erhebliche Verschärfung der Finanzierungsbedingungen in der Vergangenheit. Diese umfasste unter anderem eine starke Erhöhung der Hypothekenzinsen und eine Verschärfung der Kreditvergaberichtlinien der Banken. Die Wohnungsbauinvestitionen dürften ab 2025 jedoch wieder anziehen und sich 2026 schneller erhöhen. Dies ist darauf zurückzuführen, dass sich die Finanzierungsbedingungen allmählich verbessern, die Einkommen der privaten Haushalte kräftig steigen und sich das Vertrauen erholt.

Die Unternehmensinvestitionen dürften 2024 schwach bleiben. Danach werden sie im Einklang mit den sich verbessernden Finanzierungsbedingungen, der stärkeren Nachfrage und den Crowding-in-Effekten des Programms „Next Generation EU“ (NGEU) allmählich zunehmen. Die Unternehmensinvestitionen im Euroraum sind Schätzungen zufolge im Schlussquartal 2023 deutlich und viel stärker als zuvor erwartet zurückgegangen. Diese überraschende Entwicklung ist erstens darauf zurückzuführen, dass der Abbau des Auftragsüberhangs und der Innenfinanzierungspuffer der Unternehmen schneller vonstattenging als erwartet. Diese Faktoren hatten zuvor dem bremsenden Effekt der verschärften Finanzierungsbedingungen entgegengewirkt. Zweitens fanden Auszahlungen im Rahmen von NGEU später statt, wodurch sich mögliche Crowding-in-Effekte verzögert haben. Insgesamt wird erwartet, dass die Unternehmensinvestitionen im Euroraum 2024 sinken (im Gegensatz zum moderaten Wachstum, das in den Projektionen vom Dezember 2023 erwartet wurde). In den Jahren 2025 und 2026 dürften sie jedoch steigen. Diese mittelfristige Erholung spiegelt die allmählich nachlassende Belastung durch die ungünstigen Finanzierungsbedingungen und die anhaltenden Anstrengungen des privaten Sektors zur Förderung grüner und digitaler Investitionen sowie eine Belebung der Binnen- und Auslandsnachfrage wider.

Kasten 2
Das außenwirtschaftliche Umfeld

Das weltweite Wirtschaftswachstum schwächte sich zum Jahreswechsel ab, da die geldpolitische Straffung weiterhin auf die Wirtschaft durchschlug.[7] Das weltweite Wachstum wird den Projektionen zufolge im laufenden Jahr leicht auf 3,4 % zurückgehen, verglichen mit den für 2023 geschätzten 3,5 %. Diese Abschwächung ist darauf zurückzuführen, dass die Auswirkungen der stützenden Faktoren nachlassen. Hierzu zählen etwa der Abbau überschüssiger Ersparnisse und die allmähliche Abkühlung des Arbeitsmarkts, die zuvor die Konsumausgaben in den entwickelten Volkswirtschaften gestützt hatten. Das globale Wachstum wird den Projektionen zufolge im Zeitraum 2025 bis 2026 auf 3,2 % pro Jahr zurückgehen und damit leicht unter dem Durchschnitt des letzten Jahrzehnts liegen. In den Vereinigten Staaten dürfte sich das Wachstum im laufenden Jahr angesichts der anhaltenden Anpassung am Arbeitsmarkt sowie der Transmission der restriktiven Geldpolitik und der Kreditvergaberichtlinien der Banken abschwächen. In China bleiben die Konsumausgaben vor dem Hintergrund des schwachen Immobilienmarkts verhalten. Gegenüber den Projektionen vom Dezember 2023 wurde das weltweite Wachstum für das laufende Jahr nach oben korrigiert. Dies ist vor allem auf überraschend positive Daten in wichtigen Volkswirtschaften, insbesondere in den Vereinigten Staaten, Ende 2023 zurückzuführen.

Der weltweite Handel wird sich den Projektionen zufolge erholen und auf mittlere Sicht im Einklang mit der globalen Konjunktur stärker zunehmen. Nach einer Phase, in der sich der weltweite Handel vor dem Hintergrund einer Verlagerung der Nachfrage (von Waren hin zu Dienstleistungen) nach der Pandemie verhalten entwickelt hat, deuten die jüngsten Daten auf eine Erholung hin, auch wenn diese geringer ausfallen dürfte als zuvor erwartet. Störungen des Schiffsverkehrs im Roten Meer dürften sich nur begrenzt auf die Basisprojektion für den weltweiten Handel auswirken. Die Lieferzeiten der Anbieter haben sich im Januar auf globaler Ebene nur leicht verlängert und liegen weiterhin deutlich unter dem Niveau der Jahre 2021 und 2022, in denen die globalen Lieferketten stark belastet waren. Dabei spielt eine Reihe mildernder Faktoren eine Rolle. Erstens scheinen reichlich ungenutzte Seefrachtkapazitäten vorhanden zu sein, da die globale Nachfrage nach Waren relativ gedämpft ist und die Zahl der Frachtschiffe weltweit zugenommen hat. Zweitens ist der Überlastungsgrad der Häfen weltweit weitgehend unverändert geblieben. Dies deutet darauf hin, dass die Häfen in der Lage sind, umgeleitete Schiffe aufzunehmen. Außerdem federn die hohen Lagerbestände im verarbeitenden Gewerbe die Auswirkungen längerer Lieferzeiten auf die Produktion ab. Allerdings würden die Risiken für den weltweiten Handel und die Inflation zunehmen, wenn die Störungen im Roten Meer eskalieren und deutlich länger anhalten (siehe Kasten 3). Insgesamt dürfte der weltweite Handel 2024 um 2,8 %, 2025 um 3,1 % und 2026 um 3,2 % zunehmen. Dies entspricht im Wesentlichen den früheren Projektionen. Trotz der projizierten Erholung und einer Rückkehr zu einer historischen Einheitselastizität des Handels gegenüber dem globalen Wachstum bis 2025 dürfte der weltweite Handel unter seinem historischen Trendniveau bleiben. Dies ist auf die Auswirkungen der andauernden strukturellen Veränderungen der Handelsbeziehungen infolge zunehmender geopolitischer Spannungen zurückzuführen. Die Auslandsnachfrage nach Produkten des Euroraums dürfte 2023 lediglich um 0,6 % gestiegen sein, d. h. etwas langsamer als in den vorangegangenen Projektionen erwartet. Die Auslandsnachfrage dürfte sich erholen, wenn auch langsamer als in den Projektionen vom Dezember 2023 erwartet. Sie wird durch das schwächere Importwachstum einiger der wichtigsten Handelspartner des Euroraums, darunter das Vereinigte Königreich sowie mittel- und osteuropäische Länder, gebremst. Zudem impliziert eine langsamere Erholung der Importe in diesen Ländern zum Jahreswechsel, dass sich die Auslandsnachfrage nach Produkten des Euroraums im laufenden Jahr langsamer erholen wird. Danach sind die Korrekturen der Auslandsnachfrage nach Produkten des Euroraums gering.

Tabelle

Das außenwirtschaftliche Umfeld

(Veränderungen gegen Vorjahr in %)

März 2024

Dezember 2023

2023

2024

2025

2026

2023

2024

2025

2026

Weltweites reales BIP (ohne Euroraum)

3,5

3,4

3,2

3,2

3,3

3,1

3,2

3,2

Welthandel (ohne Euroraum)1)

1,2

2,8

3,1

3,2

1,1

3,0

3,0

3,2

Auslandsnachfrage nach Produkten des Euroraums2)

0,6

2,4

3,1

3,2

0,8

2,6

2,9

3,1

Weltweiter VPI (ohne Euroraum)

4,9

4,1

3,2

2,8

5,0

4,4

3,4

2,9

Exportpreise der Wettbewerber in Landeswährung3)

-0,7

2,5

2,7

2,6

-0,3

3,2

2,7

2,6

Anmerkung: Die Daten können über die Macroeconomic Projection Database auf der Website der EZB abgerufen werden.
1) Berechnet als gewichteter Durchschnitt der Importe.
2) Berechnet als gewichteter Durchschnitt der Importe von Handelspartnern des Euroraums.
3) Berechnet als gewichteter Durchschnitt der Exportdeflatoren von Handelspartnern des Euroraums.

Die jährliche Gesamtinflation auf globaler Ebene wird den Projektionen zufolge über den Projektionszeitraum hinweg zurückgehen. Das Wachstum der Exportpreise der Wettbewerber des Euroraums dürfte im laufenden Jahr indes in den positiven Bereich zurückkehren. Die am Verbraucherpreisindex (VPI) gemessene weltweite Gesamtinflation lag 2023 bei 4,9 % und wird den Projektionen zufolge schrittweise zurückgehen auf 4,1 % im Jahr 2024, 3,2 % im Jahr 2025 und 2,8 % im Jahr 2026. Die Disinflation in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften wird sich den Projektionen zufolge allmählich weiter in Richtung der Zielwerte der Zentralbanken entwickeln. In den Schwellenländern dürfte die Inflation im laufenden Jahr hingegen leicht anziehen, bevor sie wieder zurückgeht. Dieses Muster spiegelt den projizierten Anstieg der Inflation in einigen wichtigen Volkswirtschaften wie China, Russland und der Türkei wider. Die Exportpreise der Wettbewerber des Euroraums (in Landeswährung und auf Jahresbasis) gingen in den letzten drei Quartalen des Jahres 2023 zurück, da die Rohstoffpreise sanken und der Inflationsdruck im In- und Ausland deutlich nachließ. Mit dem Ausklingen der Auswirkungen dieser Faktoren wird das Wachstum der Exportpreise der Wettbewerber den Projektionen zufolge im Jahr 2024 wieder in den positiven Bereich zurückkehren. Gegenüber den Projektionen vom Dezember 2023 wurde die Wachstumsrate für 2024 vor dem Hintergrund eines geringeren Inflationsdrucks und etwas niedrigerer Preise für Energierohstoffe leicht nach unten korrigiert.

Der Handel des Euroraums dürfte anziehen, im historischen Vergleich jedoch verhalten bleiben. Die realen Exporte des Euroraums gingen im dritten Quartal 2023 weiter zurück, haben sich Schätzungen zufolge aber im vierten Quartal wieder erholt. Es wird erwartet, dass sie über den Projektionszeitraum hinweg weitgehend im Einklang mit der Entwicklung der Auslandsnachfrage zunehmen werden. In dieser Hinsicht umfasst die Basisprojektion keine wesentlichen Auswirkungen der Störungen im Roten Meer, die von kurzer Dauer sein dürften (siehe Kasten 2 (Basisszenario) und Kasten 3 (Szenario mit einer Eskalation der Störungen)). Im Vergleich zu den Projektionen vom Dezember 2023 ist der Exportmarktanteil des Euroraums über den Projektionszeitraum hinweg etwas höher. Dennoch wird erwartet, dass er deutlich unter dem vor der Pandemie verzeichneten Niveau bleiben wird. Grund dafür sind die Herausforderungen bei der Wettbewerbsfähigkeit im Zusammenhang mit der vergangenen Aufwertung des Euro und den vergangenen Energieschocks. Die Importe sind im dritten Quartal 2023 überraschend negativ ausgefallen. Zudem dürften sie auf kurze Sicht aufgrund einer schwachen Entwicklung der handelsintensiven Nachfragekomponenten, wie etwa der Investitionen, moderater ausfallen als in den Projektionen vom Dezember 2023 erwartet. Danach dürften die Importe im Einklang mit der allmählichen Erholung der Binnennachfrage wieder zunehmen. Beim Außenhandel übertrafen die jüngsten Daten die Erwartungen. Insgesamt wird er auf kurze Sicht den Projektionen zufolge etwas höher bleiben. Der Beitrag zum BIP dürfte 2024 und 2025 weitgehend neutral ausfallen und 2026 das Wachstum leicht stützen (siehe Abbildung 2). Die Terms of Trade werden sich den Projektionen zufolge auf kurze Sicht weiter verbessern. Ursächlich dafür sind in erster Linie niedrigere Importpreise, die auf den Rückgang der Energiepreise zurückzuführen sind. Dies führt zu einem höheren Leistungsbilanzsaldo, der den Projektionen zufolge ab 2024 wieder auf das vor der Energiekrise verzeichnete Niveau zurückkehren wird.

Abbildung 2

Reales BIP im Euroraum – Aufgliederung in die wichtigsten Verwendungskomponenten

(Veränderung gegen Vorjahr in %, Beiträge in Prozentpunkten)

Anmerkung: Die Daten sind saison- und arbeitstäglich bereinigt. Aufgrund von Daten, die erst nach dem Redaktionsschluss der Projektionen veröffentlicht wurden, können historische Daten von den jüngsten Eurostat-Veröffentlichungen abweichen. Die vertikale Linie markiert den Beginn des Projektionszeitraums.

Der Arbeitsmarkt zeigt sich trotz einer leichten Abkühlung weiterhin widerstandsfähig. Grund dafür ist, dass das Beschäftigungswachstum von dem im Jahr 2023 verzeichneten hohen Niveau wieder zu einem Gleichgewicht zurückfinden dürfte. Weitgehend ähnlich wie in den Projektionen vom Dezember 2023 wird erwartet, dass das Wachstum der Gesamtbeschäftigung von 1,4 % im Jahr 2023 auf 0,5 % im Jahr 2024 zurückgehen und sich in den Jahren 2025 und 2026 bei 0,3 % bzw. 0,4 % stabilisieren wird (siehe Abbildung 3). Das Wachstum der Arbeitsproduktivität dürfte sich über den Projektionszeitraum hinweg verstärken. Das Produktivitätsniveau im Jahr 2026 dürfte allerdings deutlich unter dem langfristigen linearen Trend bleiben. Die Arbeitslosenquote dürfte ein leicht buckelförmiges Kurvenprofil aufweisen, denn sie reagiert mit zeitlicher Verzögerung auf die schwache Konjunktur. Daher wird für 2024 ein Anstieg auf 6,7 % und für die Jahre 2025 und 2026 ein Rückgang auf 6,6 % erwartet. Die Arbeitslosenquote wurde für 2024 und 2025 um 0,1 Prozentpunkte und für 2026 um 0,2 Prozentpunkte nach oben korrigiert.

Abbildung 3

Arbeitsmarkt im Euroraum

(in % der Erwerbspersonen (linke Skala), Veränderung gegen Vorjahr in % (rechte Skala))

Anmerkung: Die vertikale Linie markiert den Beginn des Projektionszeitraums.

Kasten 3
Analyse des Szenarios einer möglichen Eskalation der Störungen im Roten Meer

In diesem Szenario werden die Risiken für die Basisprojektionen vom März 2024 analysiert, die sich aus länger anhaltenden Störungen des Schiffsverkehrs im Roten Meer und im Golf von Aden ergeben. Nach wiederholten Angriffen von Huthi-Rebellen auf Frachtschiffe, die die Meerenge von Bab al-Mandab passieren (d. h. den südlichen Zugang zum Roten Meer für Schiffe in Richtung Suezkanal), sind die Transitvolumen seit Anfang Dezember 2023 um rund 70 % gesunken (siehe Abbildung A, Grafik a).[8] In den Basisprojektionen vom März 2024 wird davon ausgegangen, dass die Störungen des Schiffsverkehrs eher von kurzer Dauer sind und sich ihre Auswirkungen in Grenzen halten (siehe Kasten 2). Der vorliegende Kasten betrachtet ein Szenario mit schwerwiegenderen und länger anhaltenden Störungen bis zum Ende des dritten Quartals mit einer faktischen Schließung des Suezkanals. Im vierten Quartal 2024 normalisiert sich die Lage in diesem Szenario dann allmählich. In diesem Szenario wird davon ausgegangen, dass sich der Konflikt nicht auf wichtige ölfördernde Länder (z. B. Iran) ausbreitet, was beispielsweise eine Teilsperrung der Straße von Hormus zur Folge hätte.[9] Letzteres hätte größere wirtschaftliche Auswirkungen, da ein erheblicher Teil des Ölhandels über diese Route erfolgt (etwa 20 %).

Die bislang beobachteten Störungen im Roten Meer können sich durch höhere Frachtkosten, steigende Ölpreise und einen geringeren Handel auf die Weltwirtschaft auswirken. Diese Auswirkungen scheinen bisher allerdings begrenzt zu sein. Rund 12 % der weltweiten Rohöltransporte und 10 % des gesamten weltweiten Seehandels (gemessen am Volumen) erfolgen über den Suezkanal. Störungen des Schiffsverkehrs können ganz unterschiedliche unerwünschte Auswirkungen haben. Erstens können Verzögerungen bei Öltransporten aufgrund des weltweit knapperen Ölangebots die Ölpreise in die Höhe treiben. Nach einer kurzen volatilen Phase ist der Kassapreis für Rohöl der Marke Brent jedoch gefallen. Er liegt derzeit unter dem Stand, der nach den ersten Huthi-Angriffen verzeichnet wurde.[10] Dies ist darauf zurückzuführen, dass Öltanker die Region meist unbehelligt durchqueren können und nur einige Ölunternehmen den Betrieb in diesem Gebiet eingestellt haben (siehe Abbildung A, Grafik b). [11],[12] Zweitens sind das Welthandelsvolumen und die Frachtkosten betroffen, da die Strecke zwischen Asien und Europa aufgrund der Umleitung von Schiffen um das Kap der Guten Hoffnung rund 30 % länger ist und die Nachfrage nach Containerfrachtkapazitäten steigt. Als Folge könnten sich die höheren Transportkosten in höheren Verbraucherpreisen niederschlagen. Seit Beginn der Huthi-Angriffe sind die Containerfrachtkosten für bestimmte Strecken in der Tat deutlich gestiegen, liegen aber weiterhin deutlich unter den Höchstständen der Jahre 2021 und 2022 (siehe Abbildung A, Grafik c). Drittens könnten Verzögerungen im Seefrachtverkehr aufgrund der geringeren Verfügbarkeit von Rohstoffen und Vorleistungsgütern die Produktion beeinträchtigen, insbesondere in Branchen, die auf „Just-in-Time“-Lieferketten angewiesen sind. Im Januar 2024 stiegen die Einkaufsmanagerindizes (EMIs) für die Lieferzeiten der Anbieter in Ländern, die stärker von den Störungen des Schiffsverkehrs betroffen sind. Sie blieben allerdings deutlich unter ihrem Stand von 2021 und 2022 (siehe Abbildung A, Grafik d). Störungen entlang kritischer Seewege wie dem Roten Meer könnten die Unsicherheit an den globalen Märkten verstärken. Der Volatilitätsindex VIX, ein Näherungswert für die Unsicherheit an den Finanzmärkten, liegt jedoch nach wie vor unter dem Stand, der am Tag der ersten Huthi-Angriffe verzeichnet wurde (siehe Abbildung A, Grafik b).

Abbildung A

Entwicklung der wichtigsten Indikatoren für die Schiffsfahrt

a) Transitvolumen auf dem Seeweg

b) Ölpreis- und Finanzmarktvolatilität

(Indizes; November 2023 = 100)

(Indizes)

c) Seefrachtkosten

d) EMI-Teilindex für Lieferzeiten der Anbieter

Indizes; 5. November 2023 = 100)

(Diffusionsindizes)

Quellen: IWF PortWatch, Bloomberg, Haver Analytics, HARPEX (Harper Petersen Charter Rates Index), Freightos Baltic Index (FBX), S&P Global und EZB-Berechnungen.
Anmerkung: In Grafik a) werden Transitvolumen auf dem Seeweg als gleitende Siebentagesdurchschnitte berechnet, wobei die Bandbreite zwischen Minimum und Maximum die historische Entwicklung der verschifften Volumen von 2019 bis 2022 und im Verhältnis zu den am 1. Dezember des jeweiligen Jahres verschifften Volumen zeigt. In Grafik b) bezieht sich BP Ank. auf die Ankündigung von British Petroleum, Lieferungen über das Rote Meer auszusetzen. In Grafik d) wird eine invertierte Skala verwendet, wobei der EMI für die Lieferzeiten der Anbieter im April 2022 für globale Daten (ohne Euroraum), im Juli 2021 für die Vereinigten Staaten, im Mai 2021 für den Euroraum und im April 2020 für China und das Vereinigte Königreich am niedrigsten war. Die jüngsten Angaben beziehen sich auf den 11. Februar 2024 (Transitvolumen auf dem Seeweg), den 26. Februar 2024 (Ölpreise und Volatilitätsindex VIX) und den 23. Februar 2024 (Seefrachtkosten).

Modellbasierte Schätzungen deuten darauf hin, dass sich die Konsequenzen von eskalierten Störungen des Schiffsverkehrs für den Handel weltweit und im Euroraum in Grenzen halten dürften. Die Auswirkungen eines Szenarios mit länger anhaltenden Störungen des Schiffsverkehrs auf das Handelsvolumen werden über vektorautoregressive Modelle (VAR-Modelle) für den Handel weltweit und im Euroraum quantifiziert. Störungen des Schiffsverkehrs werden näherungsweise durch den Global Supply Chain Pressure Index (GSCPI) der Federal Reserve Bank of New York bestimmt. Wir verwenden die durch das Containerschiff „Ever Given“ im Jahr 2021 verursachte Blockierung des Suezkanals, um die Lieferkettenstörungen infolge einer Sperrung dieser Seezufahrt zu kalibrieren.[13],[14] In diesem Szenario würde sich das Wachstum des Welthandels 2024 um 1,1 Prozentpunkte und 2025 um 0,5 Prozentpunkte im Vergleich zum Basisszenario der Projektionen vom März 2024 verringern. Für 2026 werden keine Auswirkungen erwartet (siehe Abbildung B, Grafik a). Diese Effekte spiegeln eine stärkere Nutzung von Frachtkapazitäten und einen Abbau der Lagerbestände angesichts länger anhaltender Handelsstörungen, aber auch einen Rückgang des Handels als Reaktion auf einen länger anhaltenden Anstieg der Frachtpreise wider.[15] Die Auswirkungen auf den Handel des Euroraums sind größer. Im Vergleich zum Basisszenario würde das Exportwachstum des Euroraums 2024 um 1,3 Prozentpunkte und 2025 um 0,8 Prozentpunkte niedriger ausfallen. Dies ist darauf zurückzuführen, dass der Euroraum den Störungen im Suezkanal vergleichsweise stärker ausgesetzt ist. Es hängt aber auch mit der vergleichsweise höheren Handelsoffenheit und der Einbindung des Euroraums in globale Wertschöpfungsketten zusammen.

Im Eskalationsszenario würde die Inflation im Euroraum sowohl 2024 als auch 2025 rund 0,25 Prozentpunkte über dem Basisszenario liegen. Im Jahr 2026 wären die Auswirkungen aber geringer. Die inflationären Auswirkungen der höheren Frachtkosten halten sich in Grenzen, da die Kosten für den Seehandel nur einen kleinen Teil der gesamten Vorleistungskosten ausmachen. Außerdem erscheint es unwahrscheinlich, dass die höheren Vorleistungspreise vollständig auf die Verbraucherpreise durchwirken, da die Nachfrage derzeit relativ schwach ist und die Unternehmen die höheren Kosten zum Teil über ihre Gewinnspannen auffangen können. Dennoch deuten modellbasierte Schätzungen darauf hin, dass die globale Inflation im Eskalationsszenario 2024 um 0,15 Prozentpunkte und 2025 um 0,20 Prozentpunkte höher wäre als im Basisszenario. Die etwas stärkeren Auswirkungen im Jahr 2025 hängen damit zusammen, dass Änderungen der Spotraten für Frachtkosten zeitverzögert auf die Vertragszinsen durchschlagen, da Letztere in regelmäßigen Abständen ausgehandelt werden. Da der Euroraum den Störungen stärker ausgesetzt ist, dürfte die HVPI-Inflation im Euroraum sowohl 2024 als auch 2025 von größeren Auswirkungen in Höhe von rund 0,25 Prozentpunkten (gegenüber dem Basisszenario) betroffen sein (siehe Abbildung B, Grafik b). Im Jahr 2026 wären die Auswirkungen auf die Inflation im Euroraum gering, da das verzögerte Durchwirken der Frachtkosten auf die Inflation zum Teil durch die Wiederöffnungseffekte ausgeglichen werden würde.

Abbildung B

Auswirkungen auf Handel und Inflation weltweit und im Euroraum im Eskalationsszenario

a) Handelsströme

b) Verbraucherpreise

(Abweichung von den Wachstumsraten im Basisszenario in Prozentpunkten)

(Abweichung von den Wachstumsraten im Basisszenario in Prozentpunkten)

Quelle: EZB-Berechnungen.

3 Haushaltsaussichten

Der finanzpolitische Kurs im Euroraum dürfte 2024 weiter gestrafft werden und sich in den Folgejahren stabilisieren (siehe Tabelle 3). Die teilweise Rücknahme der energie- und inflationsbedingten Stützungsmaßnahmen führte Schätzungen zufolge im Jahr 2023 zu einer Straffung des finanzpolitischen Kurses (definiert als Veränderung des konjunkturbereinigten Primärsaldos[16]). Für das Jahr 2024 wird eine stärkere Straffung erwartet. Den Projektionen zufolge wird der finanzpolitische Kurs 2025 nur leicht gestrafft werden. Gründe dafür sind eine weitere Rücknahme der verbleibenden energiebezogenen Unterstützungsmaßnahmen und die Erhöhung von indirekten Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen, die teilweise durch einen begrenzten Anstieg der staatlichen Investitionen und Konsumausgaben ausgeglichen werden. Im Jahr 2026 dürfte der finanzpolitische Kurs neutral ausfallen. Im Vergleich zu den Projektionen vom Dezember 2023 bleibt der finanzpolitische Kurs im Euroraum weitgehend unverändert, da sich die (recht begrenzten) Korrekturen auf Länderebene und zwischen den verschiedenen finanzpolitischen Instrumenten weitgehend ausgleichen.

Tabelle 3

Finanzpolitische Aussichten für den Euroraum

(in % des BIP)

März 2024

Dezember 2023

2022

2023

2024

2025

2026

2023

2024

2025

2026

Finanzpolitischer Kurs
(bereinigt um NGEU-Zuschüsse)1)

0,5

0,3

0,7

0,1

0,0

0,3

0,7

0,1

0,1

Öffentlicher Finanzierungssaldo
(in % des BIP)

-3,6

-3,2

-2,9

-2,8

-2,8

-3,1

-2,8

-2,7

-2,6

Struktureller Haushaltssaldo
(in % des BIP)2)

-3,5

-3,2

-2,6

-2,6

-2,7

-3,2

-2,7

-2,6

-2,7

Öffentliche Schuldenquote
(in % des BIP)

90,9

88,3

88,5

88,5

88,6

88,7

88,3

88,1

88,1

Anmerkung: Die Daten können über die auf der EZB-Website verfügbare Macroeconomic Projection Database heruntergeladen werden.
1) Die Messgröße für den finanzpolitischen Kurs ist die Veränderung des konjunkturbereinigten Primärsaldos nach Abzug der staatlichen Stützungsmaßnahmen für den Finanzsektor. Die abgebildeten Zahlen sind auch um die erwarteten Zuschüsse aus dem Programm Next Generation EU (NGEU) auf der Einnahmenseite bereinigt. Eine negative Zahl impliziert eine Lockerung des finanzpolitischen Kurses.
2) Berechnet als öffentlicher Finanzierungssaldo, bereinigt um vorübergehende Effekte des Konjunkturzyklus und um Maßnahmen, die laut Definition des Europäischen Systems der Zentralbanken als befristet einzustufen sind.

Der Haushaltssaldo des Euroraums dürfte sich über den Projektionszeitraum hinweg verbessern, allerdings weniger stark als in den Projektionen vom Dezember 2023 erwartet. Die Schuldenquote dürfte hingegen eine leichte Aufwärtstendenz aufweisen. Das Haushaltsdefizit wird den Projektionen zufolge 2024 auf 2,9 % des BIP sinken und im restlichen Projektionszeitraum unter dem Referenzwert von 3 % bleiben. Im Jahr 2026 dürfte es 0,8 Prozentpunkte unter dem Wert von 2022 liegen. Dies ist in erster Linie auf einen Rückgang des konjunkturbereinigten Primärdefizits für den Zeitraum 2023 bis 2025 zurückzuführen, der den Anstieg der Zinsausgaben ausgleichen dürfte. Das gegenüber den Projektionen vom Dezember 2023 etwas höhere Defizit über den Projektionszeitraum hinweg ist auf eine Verschlechterung der zyklischen Komponente zurückzuführen, die teilweise durch Abwärtskorrekturen der Zinsausgaben, in denen sich günstigere Finanzierungsbedingungen widerspiegeln, ausgeglichen wird. Die Schuldenquote des Euroraums ist im Jahr 2023 schätzungsweise auf 88,3 % gesunken, dürfte aber bis 2026 leicht ansteigen. Gründe dafür sind Primärdefizite und erwartete positive Deficit-Debt-Adjustments, die teilweise durch negative Zins-Wachstums-Differenzen ausgeglichen werden dürften. Nach einem günstigen Basiseffekt aus dem Jahr 2023 wurde die Schuldenquote gegenüber den Projektionen vom Dezember 2023 über den Projektionszeitraum hinweg nach oben korrigiert. Dies ist vorwiegend höheren Primärdefiziten zuzuschreiben.

4 Preise und Kosten

Die am HVPI gemessene Gesamtinflation wird den Projektionen zufolge von 5,4 % im Jahr 2023 auf 2,3 % im Jahr 2024 fallen. In den Jahren 2025 und 2026 dürfte sie weiter sinken auf 2,0 % bzw. 1,9 % (siehe Abbildung 4). In den nächsten Quartalen dürfte die HVPI-Gesamtinflation weiter zurückgehen, allerdings langsamer als zuvor. Aufgrund der aus der Energiekomponente erwachsenden Basiseffekte und der zeitlichen Lage der Ostertage in diesem Jahr dürfte sie eine gewisse Volatilität aufweisen.[17] Die Jahresänderungsrate der Energiekomponente dürfte sich im Verlauf von 2024 aufgrund von Basiseffekten erholen (siehe Abbildung 5). Es wird erwartet, dass dies die weitere Abschwächung der HVPI-Inflation ohne Energie und Nahrungsmittel (HIVPX) und des Preisauftriebs bei Nahrungsmitteln teilweise ausgleicht. Danach ist der allmähliche Rückgang der HVPI-Gesamtinflation vor allem auf die weitere Abschwächung der HVPIX-Inflation zurückzuführen. Die Inflationsraten für Nahrungsmittel und Energie dürften sich weitgehend seitwärts bewegen (siehe Abbildung 6).

Abbildung 4

HVPI-Inflation im Euroraum

(Veränderungen gegen Vorjahr in %)

Anmerkung: Die vertikale Linie markiert den Beginn des aktuellen Projektionszeitraums. Die rund um den Projektionspfad der HVPI-Inflation dargestellten Bandbreiten basieren auf früheren Projektionsfehlern und sind um Ausreißer bereinigt. Die Bänder (von dunkel bis hell) zeigen die Wahrscheinlichkeit von 30 %, 60 % bzw. 90 % an, mit der das Ergebnis der HVPI-Inflation im jeweiligen Intervall liegen wird. Weitere Einzelheiten hierzu finden sich in den Gesamtwirtschaftlichen Euroraum-Projektionen von Fachleuten der EZB, Kasten 6, März 2023.

Abbildung 5

Kumulierte Auswirkungen von Basiseffekten bei der Energiekomponente auf die HVPI-Gesamtinflation ab Januar 2024

(in Prozentpunkten)

Quellen: Eurostat and EZB-Berechnungen.
Anmerkung: Die Basiseffekte beziehen sich auf Auswirkungen auf Veränderungen der jährlichen Inflationsrate, die auf außergewöhnliche Preisbewegungen vor zwölf Monaten im Vergleich zur langfristigen monatlichen Durchschnittsinflationsrate zurückzuführen sind. Die kumulierten Auswirkungen der Basiseffekte werden stets im Verhältnis zu einem bestimmten Referenzmonat dargestellt. Energiepreisbedingte Basiseffekte würden z. B. implizieren, dass die HVPI-Gesamtinflation im Mai 2024 gegenüber der Inflationsrate vom Januar 2024 um 0,8 Prozentpunkte ansteigt.

Es wird projiziert, dass die Energiepreisinflation im Jahresverlauf 2024 größtenteils im negativen Bereich bleibt, wobei durch Basiseffekte eine gewisse Volatilität auftreten dürfte. Im Jahr 2025 und Anfang 2026 dürfte sie sich bei nahe null einpendeln, wobei gegen Ende des Projektionszeitraums mit einem erneuten Anstieg zu rechnen ist. Nach dem Rückgang der Energiepreisinflation im Herbst 2023 dürfte diese bis Ende 2024 aufgrund aufwärtsgerichteter Basiseffekte, des Auslaufens staatlicher Maßnahmen zum Ausgleich hoher Energiepreise und der Auswirkungen der Umsetzung von Klimamaßnahmen in einigen Ländern wieder leicht in den positiven Bereich zurückkehren. Von Januar bis Dezember 2024 sind aufwärtsgerichtete Basiseffekte für die erwartete Schwankung der Energiepreisinflation verantwortlich, wobei niedrigere Rohstoffpreise die Auswirkungen teilweise ausgleichen dürften. Außerdem wird davon ausgegangen, dass die im Dezember 2023 vorgenommenen Änderungen der finanzpolitischen Maßnahmen zum Ausgleich der hohen Energiepreise und der Inflation einen Aufwärtseffekt in Höhe von 0,3 Prozentpunkten auf die Gesamtinflation im Jahr 2024 haben werden. Dies ist etwas niedriger als in den Projektionen vom Dezember 2023 erwartet. Grund hierfür ist, dass sich in einigen Ländern Zeitpunkt und Ausmaß der Rücknahme dieser Maßnahmen geändert haben. Sobald die aufwärtsgerichteten Basiseffekte und die Auswirkungen der Rücknahme energiebezogener finanzpolitischer Maßnahmen nachlassen, implizieren die leicht nach unten gerichteten Terminkurven der Rohstoffpreise für Energie in Verbindung mit dem Aufwärtsdruck, der sich aus einigen finanzpolitischen Maßnahmen im Zusammenhang mit der Klimawende ergibt, für die Jahre 2025 und 2026 eine HVPI-Energiepreisinflation von nahe null.

Der Preisauftrieb bei Nahrungsmitteln dürfte deutlich zurückgehen von 10,9 % im Jahr 2023 auf durchschnittlich 3,2 % im Jahr 2024, da der von früheren Anstiegen der Vorleistungskosten ausgehende Inflationsdruck nachlässt. In den Jahren 2025 und 2026 dürfte er sich bei 2,3 % einpendeln. Nach einem deutlichen Rückgang des jährlichen Preisauftriebs bei Nahrungsmitteln im ersten Quartal 2024 dürfte er sich im restlichen Jahresverlauf moderater abschwächen. Zurückzuführen ist dies auf einen nachlassenden Inflationsdruck aufgrund rückläufiger Rohstoffpreise für Energie und Nahrungsmittel. Es ist jedoch davon auszugehen, dass der weiterhin dynamische Arbeitskostendruck einen stärkeren Rückgang verhindert. Da sich der Druck zeitverzögert auswirkt, wird er den Preisauftrieb bei Nahrungsmitteln in den letzten beiden Jahren des Projektionszeitraums weiter stützen.

Abbildung 6

HVPI-Inflation im Euroraum – Aufgliederung in die Hauptkomponenten

(Veränderung gegen Vorjahr in %; Beiträge in Prozentpunkten)

Anmerkung: Die vertikale Linie markiert den Beginn des aktuellen Projektionszeitraums.

Die HVPIX-Inflation dürfte im Zuge des nachlassenden Inflationsdrucks weiter sinken, wenn auch langsamer als in der jüngeren Vergangenheit, da der hohe Arbeitskostendruck allmählich zum Tragen kommt (siehe Abbildung 7). Es wird erwartet, dass sich die HVPIX-Inflation von 3,7 % im Schlussquartal 2023 auf 2,5 % im vierten Quartal 2024 abschwächt, da die Aufwärtseffekte von Lieferengpässen, die Wiederöffnungseffekte nach der Pandemie und indirekte Effekte aus früheren Erhöhungen der Energie- und Nahrungsmittelpreise nachlassen und der abwärtsgerichtete Effekt der geldpolitischen Straffung weiter in die Wirtschaft durchwirkt. Die Projektionen enthalten geringe Auswirkungen der Störungen des Schiffsverkehrs im Roten Meer auf den Preisauftrieb bei Waren. Dies steht im Einklang mit der Annahme, dass die Spannungen rasch gelöst werden, und der Tatsache, dass Frachtkosten häufig auf längerfristigen Verträgen beruhen.[18] Danach dürfte die HVPIX-Inflation in den Jahren 2025 und 2026 durchschnittlich 2,1 % bzw. 2,0 % betragen. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die Auswirkungen des früheren Inflationsdrucks nachlassen, sich Lieferengpässe auflösen, sich die Nachfrage in der Folge von Wiedereröffnungseffekten nach der Pandemie normalisiert und die Geldpolitik gestrafft wird. Ein rascherer Rückgang scheint durch den zwar schwächer werdenden, aber weiterhin erhöhten Aufwärtsdruck aufgrund der Arbeitskostenentwicklung verhindert zu werden, der zum Teil durch Gewinnmargen abgefedert wird.

Abbildung 7

HVPI-Inflation im Euroraum ohne Energie und Nahrungsmittel

(Veränderungen gegen Vorjahr in %)

Anmerkung: Die vertikale Linie markiert den Beginn des aktuellen Projektionszeitraums. Die rund um den Projektionspfad der HVPIX-Inflation dargestellten Bandbreiten basieren auf früheren Projektionsfehlern und sind um Ausreißer bereinigt. Die Bänder (von dunkel bis hell) zeigen die Wahrscheinlichkeit von 30 %, 60 % bzw. 90 % an, mit der das Ergebnis der HVPIX-Inflation im jeweiligen Intervall liegen wird. Weitere Einzelheiten hierzu finden sich in den Gesamtwirtschaftlichen Euroraum-Projektionen von Fachleuten der EZB, Kasten 6, März 2023.

Der Ausblick für die HVPI-Gesamtinflation wurde gegenüber den Projektionen vom Dezember 2023 für das Jahr 2024 um 0,4 Prozentpunkte und für 2025 um 0,1 Prozentpunkte nach unten korrigiert. Für 2026 bleibt er unverändert. Die HVPIX-Inflation wurde hingegen über den gesamten Projektionszeitraum hinweg nach unten korrigiert. Die Abwärtskorrektur der HVPI-Inflation im Jahr 2024 ist vor allem der Energiekomponente zuzuschreiben. Diese wird den Erwartungen zufolge aufgrund der jüngsten unerwartet positiven Daten und der niedrigeren Rohstoffpreise für Energie geringer ausfallen. Die indirekten Auswirkungen der niedrigeren Energiepreise dürften allmählich zum Tragen kommen. Zusammen mit den schwächeren Wachstumsaussichten und dem geringeren Wachstum der Lohnstückkosten führt dies über den Projektionszeitraum hinweg zu Abwärtskorrekturen der HVPIX-Inflation. Die Gesamtinflation für 2026 bleibt unverändert. Grund dafür sind Aufwärtskorrekturen des Preisauftriebs bei Energie, die auf stärker aufwärtsgerichtete Terminkurven für Öl und Gas zurückzuführen sind, die wiederum die Abwärtskorrektur der Inflationsrate für Nahrungsmittel und der HVPIX-Inflationsrate ausgleichen.

Tabelle 4

Preis- und Kostenentwicklung für den Euroraum

(Veränderungen gegen Vorjahr in %)

März 2024

Dezember 2023

2022

2023

2024

2025

2026

2023

2024

2025

2026

HVPI

8,4

5,4

2,3

2,0

1,9

5,4

2,7

2,1

1,9

HVPI für Energie

37,0

-2,0

-1,6

0,5

0,6

-1,9

1,2

0,3

-0,1

HVPI für Nahrungsmittel

9,0

10,9

3,2

2,3

2,3

10,9

3,2

2,5

2,3

HVPI ohne Energie

5,1

6,3

2,7

2,2

2,0

6,3

2,8

2,4

2,1

HVPI ohne Energie und Nahrungsmittel

3,9

4,9

2,6

2,1

2,0

5,0

2,7

2,3

2,1

HVPI ohne Nahrungsmittel, Energie und Änderungen indirekter Steuern1)

3,9

4,9

2,6

2,1

2,0

5,0

2,7

2,3

2,1

BIP-Deflator

4,6

5,9

2,9

2,3

1,9

5,6

2,9

2,5

1,9

Importdeflator

17,5

-3,0

-0,4

2,4

2,2

-2,9

1,0

2,3

2,0

Lohnstückkosten

3,3

6,2

4,4

2,3

1,7

6,1

4,1

2,6

2,0

Arbeitnehmerentgelt je Arbeitnehmer

4,5

5,3

4,5

3,6

3,0

5,3

4,6

3,8

3,3

Arbeitsproduktivität 2)

1,2

-0,8

0,1

1,2

1,2

-0,8

0,4

1,1

1,2

Anmerkung: Das BIP und die Importdeflatoren, die Lohnstückkosten, das Arbeitnehmerentgelt je Arbeitnehmer und die Arbeitsproduktivität beziehen sich auf saison- und arbeitstäglich bereinigte Daten. Aufgrund von Daten, die erst nach dem Redaktionsschluss der Projektionen veröffentlicht wurden, können historische Daten von den jüngsten Eurostat-Veröffentlichungen abweichen. Die Daten, darunter auch vierteljährliche Daten, können über die Macroeconomic Projection Database auf der Website der EZB heruntergeladen werden.
1) Der Teilindex basiert auf Schätzungen der tatsächlichen Auswirkungen indirekter Steuern. Es können sich hier Unterschiede zu Eurostat-Daten ergeben, da diese auf der Annahme beruhen, dass Effekte indirekter Steuern vollständig und unmittelbar auf den HVPI durchwirken.
2) Gemessen als reales BIP je Erwerbstätigen.

Das Wachstum der Nominallöhne wird sich den Projektionen zufolge allmählich abschwächen, aber erhöht bleiben. Dies dürfte einen „Aufholprozess“ der Reallöhne im Vergleich zu dem vor dem Inflationsschub verzeichneten Niveau ermöglichen. Das Wachstum des Arbeitnehmerentgelts je Arbeitnehmer ist Schätzungen zufolge im vierten Quartal 2023 zurückgegangen und dürfte sich über den Projektionszeitraum hinweg weiter abschwächen. Aufgrund der nach wie vor angespannten Arbeitsmarktlage, des Inflationsausgleichs und der Anhebung der Mindestlöhne wird es im Vergleich zu historischen Werten aber auf erhöhtem Niveau bleiben. Am Ende des Projektionszeitraums dürfte es 3,0 % erreichen, was in etwa der Summe aus dem prognostizierten Produktivitätswachstum und der Inflation entspricht. Im Vergleich zu den Projektionen vom Dezember 2023 wurde die Wachstumsrate für 2024 leicht nach unten korrigiert, da erwartet wird, dass die aufgrund der schwächeren Konjunkturaussichten niedrigere Lohndrift den stärkeren Anstieg der Tariflöhne mehr als ausgleicht. Für die Jahre 2025 und 2026 wurde das Wachstum des Arbeitnehmerentgelts je Arbeitnehmer ebenfalls nach unten korrigiert, was auf eine erwartete frühere Erholung der Reallöhne und die damit verbundene Erwartung einer etwas geringeren Nachfrage nach einem Inflationsausgleich zurückzuführen ist. Das Wachstum der Lohnstückkosten dürfte 2023 seinen Höchststand erreicht haben und wird den Projektionen zufolge deutlich zurückgehen, teils aufgrund des projizierten Anstiegs des Produktivitätswachstums (siehe Abbildung 8).

Abbildung 8

Zusammensetzung der Lohnstückkosten im Euroraum

(Veränderung gegen Vorjahr in %; Beiträge in Prozentpunkten)

Anmerkung: Die vertikale Linie markiert den Beginn des aktuellen Projektionszeitraums.

Der am Wachstum des BIP-Deflators gemessene binnenwirtschaftliche Preisdruck wird den Projektionen zufolge allmählich weiter nachlassen, wobei das Gewinnwachstum zunächst als Puffer für einen hohen Arbeitskostendruck dienen und sich anschließend erholen dürfte (siehe Abbildung 9). Die Jahreswachstumsrate des BIP-Deflators erreichte im ersten Quartal 2023 mit 6,3 % ihren Höchststand. Sie wird den Projektionen zufolge weiter rasch zurückgehen und 2024 durchschnittlich 2,9 % betragen. Danach dürfte sie langsamer sinken, auf durchschnittlich 1,9 % im Jahr 2026. Das Wachstum der Stückgewinne hat Anfang 2023 ebenfalls seinen Höhepunkt erreicht und sich seither verlangsamt. Es dürfte sich 2024 ins Negative umkehren, was darauf hindeutet, dass die Gewinne den relativ starken Anstieg der Arbeitskosten abfedern werden. In Anbetracht der Abschwächung des Wachstums der Lohnstückkosten wird davon ausgegangen, dass sich das Wachstum der Stückgewinne ab 2025 wieder etwas erholen wird. Hierzu dürften eine robuste Konjunkturerholung und ein stärkeres Produktivitätswachstum beitragen.[19]

Abbildung 9

BIP-Deflator des Euroraums – Komponenten der Verteilungsseite

(Veränderung gegen Vorjahr in %; Beiträge in Prozentpunkten)

Anmerkung: Die vertikale Linie markiert den Beginn des aktuellen Projektionszeitraums.

Nach einer leicht negativen Jahreswachstumsrate im Jahr 2024 dürfte sich der Auftrieb bei den Importpreisen in den späteren Jahren des Projektionszeitraums etwas über 2 % bewegen. Das Wachstum des Importdeflators dürfte deutlich zurückgegangen sein von 17,5 % im Jahr 2022 auf ‑3,0 % (2023) bzw. -0,4 % (2024). Im zweiten Halbjahr 2024 dürfte es in den positiven Bereich zurückkehren und 2025 bei 2,4 % sowie 2026 bei 2,2 % liegen. Dies entspricht weitgehend der projizierten Entwicklung der Exportpreise der Wettbewerber (siehe Kasten 2).

Kasten 4
Sensitivitätsanalyse: divergierende Entwicklungen der Energie- und Nahrungsmittelpreise

Die künftige Entwicklung der Preise für Energierohstoffe ist sehr ungewiss und divergierende Entwicklungen der Rohstoffpreise für Öl und Gas hätten erhebliche Auswirkungen auf die Wirtschaftsaussichten, insbesondere auf die Inflation. Die Projektionen beruhen auf den in Kasten 1 dargelegten technischen Annahmen. In dieser Analyse werden hingegen divergierende ab- bzw. aufwärtsgerichtete Entwicklungen aus dem 25. und 75. Perzentil der optionsbasierten neutralen Dichten für die Öl- und Gaspreise abgeleitet.[20] Während die Verteilung der Ölpreise nahezu symmetrisch ist, deutet die Verteilung der Gaspreise auf ausgeprägte Aufwärtsrisiken für die in den vorliegenden Projektionen enthaltenen technischen Annahmen hin. Zudem wird sowohl für Öl- als auch für Gaspreise eine Annahme konstanter Preise berücksichtigt. In jedem Fall wird ein synthetischer Energiepreisindex (ein gewichteter Durchschnitt der Öl- und Gaspreisentwicklung) berechnet. Zudem werden die Auswirkungen der divergierenden Entwicklungen anhand einer Reihe von in den Projektionen verwendeten makroökonomischen Modellen der EZB und des Eurosystems untersucht. Die durchschnittlichen Auswirkungen auf das Wachstum des realen BIP und die HVPI-Inflation für diese Modelle sind Tabelle A zu entnehmen.

Tabelle A

Auswirkungen divergierender Energiepreisentwicklungen

Entwicklungsverlauf 1: 25. Perzentil

Entwicklungsverlauf 2: 75. Perzentil

Entwicklungsverlauf 3: konstante Preise

2024

2025

2026

2024

2025

2026

2024

2025

2026

(Abweichung vom Basisszenario in %)

Synthetischer Energiepreisindex

-14,6

-19,6

-25,5

17,0

25,2

37,4

2,8

3,8

9,6

(Abweichungen von den Wachstumsraten im Basisszenario in Prozentpunkten)

Wachstum des realen BIP

0,0

0,1

0,1

0,0

-0,2

-0,1

0,0

0,0

0,0

HVPI-Inflation

-0,5

-0,6

-0,5

0,6

0,8

0,6

0,1

0,1

0,2

Anmerkung: Bei dieser Sensitivitätsanalyse wird ein synthetischer Energiepreisindex verwendet, der die Preise für Öl- und Gasterminkontrakte kombiniert. Das 25. und das 75. Perzentil beziehen sich auf die optionsbasierten neutralen Dichten für die Öl- und Gaspreise am 9. Februar 2024. Die konstanten Öl- und Gaspreise nehmen ihren jeweiligen Wert zum selben Zeitpunkt an. Die makroökonomischen Auswirkungen werden als Durchschnittswerte aus einigen von Fachleuten der EZB bzw. des Eurosystems verwendeten makroökonomischen Modellen ausgewiesen.

Eine ähnliche Sensitivitätsanalyse wird mit divergierenden Entwicklungen für die internationalen Nahrungsmittelpreise durchgeführt, die leicht aufwärtsgerichtet sind. Bei dieser Analyse wird davon ausgegangen, dass die internationalen Nahrungsmittelrohstoffpreise für Weizen und Mais ab dem zweiten Quartal 2024 dem 10. und 90. Perzentil der optionsbasierten Preise zum Redaktionsschluss der von Fachleuten erstellten Projektionen folgen. Die Verteilungen sind leicht aufwärtsgerichtet, was vermutlich eine Mischung aus witterungs- und klimabedingten Risiken widerspiegelt. Eines dieser Aufwärtsrisiken ist das aktuelle Wetterphänomen El Niño, das sich im zweiten Quartal 2024 abschwächen dürfte, in den nächsten Jahren jedoch zu verzögerten Aufwärtseffekten bei den Nahrungsmittelpreisen führen könnte. Vermutlich folgt auf El Niño das Wetterphänomen La Niña, das in der Regel zu Dürren in Südamerika führt. Zu den Aufwärtsrisiken zählt auch, dass es aufgrund des Krieges in der Ukraine weiterhin zu Störungen bei den weltweiten Getreidelieferungen kommen kann. Wie sich diese divergierenden Entwicklungen auf das Wachstum des realen BIP im Euroraum und die Inflationsprojektionen auswirken, wird anhand von Elastizitäten der gesamtwirtschaftlichen Modelle des Eurosystems beurteilt, die für die Projektionen herangezogen werden. Die Auswirkungen dieser divergierenden Entwicklungen bei den Nahrungsmittelpreisen auf das Wachstum des realen BIP im Euroraum wären vernachlässigbar. Die Auswirkungen auf die HVPI-Inflation finden sich in Tabelle B.

Tabelle B

Auswirkungen divergierender Entwicklungen der Nahrungsmittelpreise

(Abweichungen von den Wachstumsraten im Basisszenario in Prozentpunkten)

Entwicklungsverlauf 1: 10. Perzentil

Entwicklungsverlauf 2: 90. Perzentil

2024

2025

2026

2024

2025

2026

Internationaler Weizenpreis

-10,4

-8,4

-0,4

16,1

10,5

1,1

Internationaler Maispreis

-11,0

-12,4

-2,7

16,9

14,2

7,3

HVPI-Inflation

-0,1

-0,1

-0,1

0,1

0,2

0,1

Anmerkung: In dieser Sensitivitätsanalyse beziehen sich das 10. und das 90. Perzentil auf die optionsbasierten neutralen Dichten für die Weizen- und Maispreise am 9. Februar 2024. Die Entwicklungen aus optionsbasierten Dichten werden so umgewandelt, dass sie die Auswirkungen auf die Ab-Hof-Preise im Euroraum abbilden. Die makroökonomischen Auswirkungen werden anhand der Elastizitäten berechnet, die von den in den Projektionen verwendeten makroökonomischen Modellen des Eurosystems abgeleitet werden.

Kasten 5
Vergleich mit Prognosen anderer Institutionen und des privaten Sektors

Die von Fachleuten des Eurosystems erstellten Projektionen vom März 2024 liegen weitgehend innerhalb der Bandbreite anderer Prognosen. Für 2024 liegt das von Fachleuten der EZB projizierte Wachstum im mittleren Bereich der Bandbreite. Dies steht im Einklang mit dem Durchschnitt aller anderen Prognostiker sowie den jüngsten Prognosen der OECD und des Survey of Professional Forecasters (SPF) und liegt leicht über der Prognose von Consensus Economics und unter der aktuellen Prognose der Europäischen Kommission. Diese Prognose liegt im oberen Bereich der Bandbreite für 2025 und leicht über den anderen verfügbaren Prognosen für 2026. Was die HVPI-Inflation betrifft, so liegen die von Fachleuten der EZB erstellten Projektionen für 2024 im Einklang mit der Prognose von Consensus Economics am unteren Ende der Bandbreite, aber deutlich unter der Prognose der Europäischen Kommission, die davon ausgeht, dass die Störungen im Roten Meer länger anhalten und einen stärkeren Aufwärtsdruck auf die Inflation ausüben. Für 2025 liegen die von Fachleuten der EZB erstellten Projektionen am unteren Ende einer recht engen Bandbreite, was mit der SPF-Prognose und der Prognose von Consensus Economics im Einklang steht. Für 2026 liegen die von Fachleuten der EZB erstellten Inflationsprognosen leicht unter den anderen verfügbaren Prognosen für 2026.

Tabelle

Vergleich der jüngsten Prognosen zum Wachstum des realen BIP und zur HVPI-Inflation im Euroraum

(Veränderungen gegen Vorjahr in %)

Datum der Veröffentlichung

Wachstum des realen BIP

HVPI-Inflation

2024

2025

2026

2024

2025

2026

EZB-Projektionen

März 2024

0,6

1,5

1,6

2,3

2,0

1,9

Europäische Kommission

Februar 2024

0,8

1,5

2,7

2,2

Consensus Economics

Februar 2024

0,5

1,3

1,5

2,3

2,0

2,0

OECD

Februar 2024

0,6

1,3

2,6

2,2

IWF

Januar 2024

0,9

1,7

2,8

2,1

Survey of Professional Forecasters

Januar 2024

0,6

1,3

1,4

2,4

2,0

2,0

Quellen: Europäische Kommission, (Interim) Economic Forecast, Winter 2024, 15. Februar 2024; Prognose von Consensus Economics, 15. Februar 2024 (die Daten für 2026 stammen aus der Umfrage vom Januar 2024); OECD, Zwischenbericht zum Wirtschaftsausblick, 5. Februar 2024; IWF, World Economic Outlook Update, 30. Januar 2024; EZB, Survey of Professional Forecasters, 26. Januar 2024.
Anmerkung: Da sie zu unterschiedlichen Zeitpunkten fertiggestellt wurden, sind diese Prognosen untereinander bzw. mit den von Fachleuten der EZB erstellten Projektionen nicht direkt vergleichbar. Darüber hinaus werden bei diesen Prognosen unterschiedliche Methoden zur Ableitung von Annahmen über fiskalische, finanzpolitische und außenwirtschaftliche Variablen (einschließlich Öl-, Gas- und sonstiger Rohstoffpreise) verwendet. Die von Fachleuten der EZB erstellten gesamtwirtschaftlichen Projektionen verwenden arbeitstäglich bereinigte Jahreswachstumsraten für das reale BIP, während die Europäische Kommission und der IWF jährliche Zuwachsraten heranziehen, die nicht um die Zahl der Arbeitstage pro Jahr bereinigt wurden. Andere Prognosen enthalten keine Angaben dazu, ob arbeitstäglich bereinigte oder nicht arbeitstäglich bereinigte Daten ausgewiesen werden.

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Informationen zur Fachterminologie finden sich im EZB-Glossar (nur auf Englisch verfügbar).

HTML ISBN 978-92-899-6531-6, ISSN 2529-4431, doi:10.2866/193193, QB-CE-24-001-DE-Q


  1. Redaktionsschluss für die technischen Annahmen, beispielsweise zu den Ölpreisen und Wechselkursen, war der 9. Februar 2024. Die Projektionen für die Weltwirtschaft wurden am 12. Februar und die gesamtwirtschaftlichen Projektionen für den Euroraum am 21. Februar 2024 fertiggestellt. Die aktuellen Projektionen beziehen sich auf den Zeitraum 2024 bis 2026. Bei ihrer Interpretation ist zu berücksichtigen, dass Projektionen für einen so langen Zeitraum mit sehr großer Unsicherheit behaftet sind. Siehe EZB, Prognosegüte der gesamtwirtschaftlichen Projektionen von Experten des Eurosystems und der EZB seit der Finanzkrise, Wirtschaftsbericht 8/2019. Die den ausgewählten Tabellen und Abbildungen zugrunde liegenden Daten sind unter https://www.ecb.europa.eu/pub/projections/html/index.de.html abrufbar. Die Macroeconomic Projection Database auf der Website der EZB enthält alle bislang veröffentlichten gesamtwirtschaftlichen Projektionen der Fachleute der EZB und des Eurosystems. Diese Datenbank enthält auch mehr Variablen als der vorliegende Bericht und viele Quartalswerte.

  2. Eurostat veröffentlicht seine erste Aufschlüsselung des Wachstums des realen BIP im vierten Quartal 2023 erst nach Erscheinen der vorliegenden Projektionen. Die hier genannte Aufschlüsselung basiert auf vorläufigen Informationen aus einigen Ländern des Euroraums und Schätzungen von Fachleuten der EZB.

  3. Dieser Lagerabbau könnte mit der Einschätzung der Unternehmen zusammenhängen, dass ihre Lagerbestände angesichts der verhaltenen Nachfrage und der infolge höherer Zinsen gestiegenen Vorratshaltungskosten angemessen sind.

  4. Siehe EZB, Gesamtwirtschaftliche Auswirkungen der geldpolitischen Straffung der EZB seit Dezember 2021: eine modellbasierte Auswertung , Kasten 6, Wirtschaftsbericht 3/2023.

  5. Die Annahme für die nominalen Renditen zehnjähriger Staatsanleihen im Euroraum beruht auf dem gewichteten Durchschnitt der Renditen der zehnjährigen Benchmark-Anleihen der Länder. Diese Renditen werden mit den jährlichen BIP-Zahlen gewichtet und anhand eines Zukunftsprofils fortgeschrieben, das aus der Zinsstrukturkurve der EZB für die Zehnjahres-Pari-Rendite aller Anleihen des Euroraums abgeleitet wird. Dabei wird die anfängliche Abweichung zwischen den beiden Reihen über den Projektionszeitraum hinweg konstant gehalten. Die Abstände zwischen länderspezifischen Staatsanleiherenditen und dem entsprechenden Euroraum-Durchschnitt werden über den Projektionszeitraum hinweg als konstant angenommen.

  6. Die technischen Annahmen bezüglich der Rohstoffpreise beruhen auf der von den Terminmärkten anhand des Durchschnitts des Zweiwochenzeitraums bis zum Redaktionsschluss am 9. Februar 2024 abgeleiteten Entwicklung.

  7. Verweise auf weltweite und/oder globale Aggregate von Konjunkturindikatoren in diesem Kasten schließen den Euroraum nicht ein.

  8. Seit Mitte Dezember 2023 haben wichtige Unternehmen in der Containerschifffahrt ihre Transporte im Roten Meer unterbrochen oder ausgesetzt.

  9. Dies wurde in der Analyse des Szenarios einer möglichen weiteren Eskalation des Nahostkonflikts berücksichtigt, die in Kasten 3 der von Fachleuten des Eurosystems erstellten gesamtwirtschaftlichen Projektionen vom Dezember 2023 beschrieben wird.

  10. Diese Entwicklung steht im Einklang mit historischen Regelmäßigkeiten und lässt darauf schließen, dass sich Handelsstörungen im Roten Meer nur begrenzt auf die Ölpreise auswirken. Außerdem sind die Preise derzeit weiter gedämpft, was auf das Überangebot an Öl auf globaler Ebene zurückzuführen ist.

  11. Siehe M. Ferrari Minesso, M.-S. Lappe und D. Rößler, Geopolitische Risiken und Ölpreisentwicklung, Kasten 2, EZB, Wirtschaftsbericht 8/2023.

  12. Im Dezember 2023 durchquerten täglich durchschnittlich 76 mit Öl und Kraftstoffen beladene Tanker das südliche Rote Meer und den Golf von Aden. Das waren nur drei Tanker weniger als der Durchschnitt in den ersten elf Monaten des Jahres 2023.

  13. Die Ergebnisse für die globalen Aggregate basieren auf einer bayesianischen Vektorautoregression (BVAR) mit vier Variablen: dem Global Supply Chain Pressure Index (GSCPI) der Federal Reserve Bank of New York, den weltweiten Importen (ohne Euroraum), den weltweiten Exportpreisen in Landeswährung (ohne Euroraum) und den Ölpreisen in US-Dollar. Das Modell wird in vierteljährlicher Frequenz für den Zeitraum vom ersten Quartal 1998 bis zum ersten Quartal 2023 geschätzt. Die Identifizierung der in das Modell einfließenden vier Schocks (weltweite Nachfrage, Energie, Lieferengpässe und sonstiges Angebot) basiert auf Null- und Vorzeichenrestriktionen. Für die Exporte des Euroraums wird von März 2003 bis November 2023 eine BVAR in monatlichen Abständen herangezogen, einschließlich des synthetischen Energiepreisindex des Euroraums, der energieintensiven bis nicht energieintensiven Industrieproduktion, der HVPI-Inflation, der Warenexporte und des nominalen effektiven Wechselkurses des Euro sowie des GSCPI und der globalen Importe (ohne Euroraum). Die Auslandsnachfrage, Engpässe, die Energieversorgung und ein nominaler effektiver Wechselkursschock werden anhand von Vorzeichenrestriktionen identifiziert.

  14. Dieses Szenario enthält keine zusätzlichen Annahmen zu den Auswirkungen von Störungen des Schiffsverkehrs auf die Energiepreise. Stattdessen wird die Reaktion der Ölpreise auf die Störungen des Schiffsverkehrs durch BVAR-Modelle bestimmt und als gering eingestuft.

  15. Untersuchungen zufolge verzeichneten beispielsweise die 79 Länderpaare, deren Abstand zueinander sich infolge der dauerhaften Schließung des Suezkanals zwischen 1967 und 1975 um über 50 % vergrößerte, einen durchschnittlichen Rückgang des Handels um mehr als 20 %. Siehe J. Feyrer, Distance, trade, and income – The 1967 to 1975 closing of the Suez Canal as a natural experiment, Journal of Development Economics, Bd. 153, 2021.

  16. Der finanzpolitische Kurs wird auch um NGEU-Zuschüsse bereinigt. Siehe Anmerkungen zu Tabelle 3.

  17. Da die Ostertage 2024 auf einen früheren Termin fallen als im Vorjahr, dürfte die jährliche HVPI-Inflationsrate im März um 0,1 Prozentpunkte höher und im April um 0,1 Prozentpunkte niedriger sein. Dies bedeutet, dass die jährliche Inflationsrate im April allein aufgrund dieses Effekts gegenüber März um 0,2 Prozentpunkte zurückgehen dürfte. Bei der HVPIX-Inflation und insbesondere beim Preisauftrieb bei Dienstleistungen wird sich dies stärker bemerkbar machen, da sich der frühere Ostertermin hauptsächlich in der Preisentwicklung für Pauschalreisen niederschlagen wird.

  18. Wenn die Störungen im Roten Meer eskalieren oder länger andauern, könnten die Auswirkungen auf die Inflation etwas stärker ausfallen. Eine nähere Beschreibung dieses Szenarios findet sich in Kasten 3.

  19. Weitere Informationen zu den Komponenten des BIP-Deflators und zur Rolle der Stückgewinne für die Inflationsanalyse finden sich in: E. Hahn, Gewinne je BIP-Einheit und ihr Beitrag zur jüngsten Zunahme des binnenwirtschaftlichen Preisdrucks im Euroraum, Kasten 3, EZB, Wirtschaftsbericht 4/2023 sowie in O. Arce, E. Hahn und G. Koester, How tit-for-tat inflation can make everyone poorer, Der EZB-Blog, 30. März 2023.

  20. Die verwendeten Marktpreise sind die am 9. Februar 2024 (Stichtag für die technischen Annahmen) geltenden Preise.