Suchoptionen
Startseite Medien Wissenswertes Forschung und Publikationen Statistiken Geldpolitik Der Euro Zahlungsverkehr und Märkte Karriere
Vorschläge
Sortieren nach

1 Überblick

Die Konjunktur im Euroraum schwächte sich zum Jahreswechsel leicht ab. Sie hat sich jedoch als relativ widerstandsfähig gegenüber den ausgeprägten negativen Angebotsschocks erwiesen, die die Wirtschaft getroffen haben. Die Wirtschaft wird in den kommenden Quartalen wohl wieder wachsen: die Energiepreise geben nach, die Auslandsnachfrage zieht an und Lieferengpässe fallen weg. Unternehmen können so ihre beträchtlichen Auftragsbestände weiter abarbeiten. Zudem lässt die Unsicherheit – auch im Zusammenhang mit den jüngsten Spannungen im Bankensektor – weiter nach. Ferner dürften die Realeinkommen steigen, gestützt durch einen robusten Arbeitsmarkt, während die Arbeitslosigkeit neue historische Tiefstände erreichen wird. Zwar wird die von der EZB vorgenommene geldpolitische Straffung zunehmend auf die Realwirtschaft durchwirken, doch dürften sich die dämpfenden Effekte der verschärften Kreditangebotsbedingungen in Grenzen halten. Diese Entwicklung sowie die allmähliche Rücknahme der finanzpolitischen Unterstützungsmaßnahmen werden das Wirtschaftswachstum auf mittlere Sicht belasten. Insgesamt dürfte sich das durchschnittliche jährliche Wachstum des realen BIP von 3,5 % im Jahr 2022 auf 0,9 % im Jahr 2023 verlangsamen. 2024 und 2025 erholt es sich wieder und steigt auf 1,5 % bzw. 1,6 % an.[1] Gegenüber den von Fachleuten der EZB erstellten Projektionen vom März 2023 wurde der Ausblick für das BIP-Wachstum für 2023 und 2024 um 0,1 Prozentpunkte nach unten korrigiert. Dies ist in erster Linie auf restriktivere Finanzierungsbedingungen zurückzuführen. Das BIP-Wachstum im Jahr 2025 bleibt unverändert, da diese Effekte durch die Auswirkungen eines höheren real verfügbaren Einkommens und eine geringere Unsicherheit teilweise ausgeglichen werden dürften.

Die am Harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI) gemessene Inflation ist trotz sinkender Energiepreise und nachlassender Lieferengpässe persistenter als zuvor erwartet. Die Gesamtinflation wird wohl weiter zurückgehen und im letzten Quartal des Jahres bei rund 3 % liegen, da sich der Preisauftrieb bei Energie 2023 im Jahresverlauf zunehmend ins Negative kehren und die Teuerung bei Nahrungsmitteln deutlich abschwächen dürften. Dennoch wird die HVPI-Inflation ohne Energie und Nahrungsmittel die Gesamtinflation den Projektionen zufolge auf kurze Sicht übertreffen und bis Anfang 2024 darüber liegen, wenngleich sie ab der zweiten Hälfte des laufenden Jahres allmählich zurückgehen wird. Da die indirekten Effekte der vergangenen Energiepreisschocks und anderer Inflationsdruck allmählich nachlassen und somit den erwarteten Rückgang vorantreiben, werden die Arbeitskosten zum wichtigsten Treiber der HVPI-Inflation ohne Energie und Nahrungsmittel. Das Lohnwachstum dürfte über den größten Teil des Projektionszeitraums hinweg mehr als doppelt so hoch ausfallen wie im historischen Durchschnitt. Dies ist auf den Inflationsausgleich, die angespannte Arbeitsmarktlage sowie höhere Mindestlöhne zurückzuführen. Gleichwohl dürften die Gewinnmargen, die 2022 deutlich anstiegen, mittelfristig teilweise als Puffer bezüglich der Weitergabe dieser Kosten wirken. Zudem dürfte die Geldpolitik die zugrunde liegende Inflation in den kommenden Jahren weiter dämpfen. Die Gesamtinflation dürfte von durchschnittlich 8,4 % im Jahr 2022 auf 5,4 % im Jahr 2023, 3,0 % im Jahr 2024 und 2,2 % im Jahr 2025 zurückgehen. Im Vergleich zu den Projektionen vom März 2023 ist die Gesamtinflation über den gesamten Projektionszeitraum hinweg leicht nach oben korrigiert worden. Dies ist in erster Linie auf eine deutliche Aufwärtskorrektur der HVPI-Inflation ohne Energie und Nahrungsmittel zurückzuführen. Darin spiegeln sich Korrekturen aufgrund unerwartet hoher aktueller Inflationszahlen sowie etwas höherer Lohnstückkosten wider, welche die Auswirkungen der niedrigeren Annahmen bezüglich der Energiepreise und der verschärften Finanzierungsbedingungen mehr als ausgleichen.

Tabelle

Projektionen für das Wachstum und die Inflation im Euroraum

(Veränderung gegen Vorjahr in %)

Anmerkung: Die Zahlen für das reale BIP beziehen sich auf saison- und arbeitstäglich bereinigte Daten. Aufgrund von Daten, die erst nach dem Redaktionsschluss der Projektionen veröffentlicht wurden, können historische Daten von den jüngsten Eurostat-Veröffentlichungen abweichen.

Die von Fachleuten erstellten Projektionen sind nach wie vor mit hoher Unsicherheit behaftet. Dies zeigt sich an den Unsicherheitsbändern der Projektionen für Wachstum und Inflation (siehe Abbildung 1 und 4).

2 Realwirtschaft

Die Konjunktur im Euroraum schwächte sich im ersten Quartal 2023 leicht ab[2]: Der Konsum war rückläufig und vor dem Hintergrund sinkender Energieimporte war ein positiver Außenbeitrag zu verzeichnen (siehe Abbildung 1). Die Industrieproduktion zeigte sich zu Jahresbeginn vor dem Hintergrund historisch hoher Auftragsrückstände und nachlassender Lieferengpässe robust, brach im März jedoch ein. Vor dem Hintergrund negativer Überhangeffekte infolge der monatlichen Dynamik im vierten Quartal 2022 lassen die Umfrageindikatoren darauf schließen, dass der Dienstleistungssektor das Wachstum im ersten Quartal 2023 gestützt hat. Was die Verwendungskomponenten des BIP betrifft, so waren die privaten Konsumausgaben rückläufig. Darin spiegelten sich die schwache Entwicklung des real verfügbaren Einkommens bei hoher Inflation sowie sich verschärfende Finanzierungsbedingungen wider, trotz eines robusten Beschäftigungswachstums. Im Gegensatz dazu war beim BIP-Wachstum im ersten Quartal ein positiver Außenbeitrag zu verzeichnen. Dies war in erster Linie auf einen Importrückgang infolge einer schwächeren Inlandsnachfrage und eines geringeren Energieverbrauchs zurückzuführen.

Abbildung 1

Wachstum des realen BIP im Euroraum

(Veränderung gegen Vorquartal in %, saison- und arbeitstäglich bereinigte Quartalswerte)

Anmerkung: Historische Daten können von den jüngsten Eurostat-Veröffentlichungen abweichen (siehe Fußnote 2). Die vertikale Linie markiert den Beginn des aktuellen Projektionszeitraums. Die Bandbreiten rund um die zentralen Projektionen zeigen den Grad der Unsicherheit an und sind symmetrisch angeordnet. Sie basieren auf früheren Projektionsfehlern und sind um Ausreißer bereinigt. Die Bänder (von dunkel bis hell) zeigen die Wahrscheinlichkeit (von 30 %, 60 % bzw. 90 %) an, mit der das reale BIP-Wachstum im jeweiligen Intervall liegt. Weitere Einzelheiten hierzu finden sich in EZB, Gesamtwirtschaftliche Euroraum-Projektionen von Fachleuten der EZB, Kasten 6, März 2023.

Das BIP-Wachstum wird den Projektionen zufolge ab dem zweiten Quartal 2023 anziehen und sich in der zweiten Jahreshälfte weiter solide entwickeln, da trotz sich eintrübender Aussichten für das verarbeitende Gewerbe die Auswirkungen von Lieferengpässen und Energieschocks nachlassen und sich das Realeinkommen erholt. Das real verfügbare Einkommen dürfte im zweiten Quartal wieder zunehmen. Gründe hierfür sind, dass die Inflation zurückgeht und die Löhne vor dem Hintergrund einer lebhaften Arbeitsmarktlage steigen. Zusammen mit der nachlassenden Unsicherheit und dem wachsenden Vertrauen schafft dies die Voraussetzungen für eine Erholung der privaten Konsumausgaben. Der positive Beitrag des Außenhandels im ersten Quartal dürfte sich im zweiten Quartal verringert haben, da sich das Importwachstum im Einklang mit der anziehenden Binnennachfrage belebt hat. Die meisten Indikatoren des Unternehmer- und des Verbrauchervertrauens sowie die Erwartungen stimmen mit dieser Einschätzung überein. Die Ergebnisse der Umfrage zum Einkaufsmanagerindex für Mai deuten auf eine vom Dienstleistungssektor getragene Erholung hin. Im verarbeitenden Gewerbe deuten sie indes auf eine Abschwächung hin. Die Wirtschaftstätigkeit wird 2023 auch durch die Auswirkungen der verschärften Finanzierungsbedingungen beeinträchtigt. Insgesamt dürfte das reale BIP sowohl im zweiten als auch im dritten Quartal 2023 im Einklang mit den Projektionen vom März 2023 um jeweils 0,3 % steigen.

Auf mittlere Sicht wird das BIP-Wachstum den Projektionen zufolge weiter zunehmen, gestützt durch einen weiteren Anstieg des Realeinkommens und eine Belebung der Auslandsnachfrage. Restriktivere Finanzierungsbedingungen und ein strafferer finanzpolitischer Kurs dürften indes für Gegenwind sorgen. Das Wachstum des realen BIP dürfte 2023 anziehen und sich 2024 und 2025 weitgehend bei vierteljährlichen Raten von rund 0,4 % stabilisieren. Das Wachstum sollte nicht nur davon profitieren, dass Angebotsschocks und durch Unsicherheit bedingtes Vorsichtsverhalten zurückgehen. Ein kräftiger Wachstumsimpuls dürfte vielmehr auch von dem nachlassenden Inflationsdruck ausgehen. Dieser steht in Zusammenhang mit einem soliden Wachstum von Beschäftigung und Arbeitseinkommen, das eine anhaltende Erholung des real verfügbaren Einkommens und der Konsumausgaben ermöglicht. Allerdings werden die Wachstumsimpulse dieser positiven Faktoren durch die Verschärfung der Finanzierungsbedingungen, die zurückliegende Aufwertung des Euro und die allmähliche Rücknahme finanzpolitischer Unterstützungsmaßnahmen abgeschwächt.

Die restriktiveren Kreditangebotsbedingungen werden das Wachstum wohl in begrenztem Maße beeinträchtigen. Die Normalisierung der Geldpolitik dürfte indes einen stärker negativen Einfluss haben. Die Zinsänderungen der Vergangenheit und die marktbasierten Erwartungen zum Redaktionsschluss der Projektionen (wie in den technischen Annahmen für die Projektionen enthalten, siehe Kasten 1) werden sich negativ auf das BIP-Wachstum auswirken, insbesondere in den Jahren 2023 und 2024.[3] Darüber hinaus haben sich die Kreditangebotsbedingungen laut der jüngsten Umfrage der EZB zum Kreditgeschäft im Euroraum seit Dezember 2022 deutlich verschärft. Es wird jedoch erwartet, dass mildernde Faktoren – wie die insgesamt günstige Finanzlage der privaten Haushalte und Unternehmen, etwa aufgrund des pandemiebedingten Sparüberhangs und der hohen Rentabilität – die negativen Auswirkungen teilweise ausgleichen werden.

Im Vergleich zu den Projektionen vom März 2023 wurde das Wachstum des realen BIP für 2023 und 2024 um 0,1 Prozentpunkte nach unten korrigiert. Für 2025 bleibt es indes unverändert. Die Verschärfung der Kreditangebotsbedingungen dürfte das Wachstum 2023 etwas stärker belasten als in den Projektionen vom März dieses Jahres angenommen, während die Auswirkungen für 2024 und 2025 weitgehend unverändert bleiben. Gegenüber den März-Projektionen wird auch davon ausgegangen, dass der Beitrag der Vorratsveränderungen im Jahr 2023 schwächer ausfallen wird. Über die kurze Frist hinaus dürfte ein schwächerer Beitrag des Außenhandels, insbesondere im Jahr 2024, durch eine kräftigere Binnennachfrage ausgeglichen werden, gestützt durch ein robusteres Wachstum des real verfügbaren Einkommens und geringere Unsicherheit.

Tabelle 1

Gesamtwirtschaftliche Projektionen für den Euroraum

(soweit nicht anders angegeben, Veränderung gegen Vorjahr in %)

Anmerkung: Das reale BIP und seine Komponenten, die Lohnstückkosten, das Arbeitnehmerentgelt je Arbeitnehmer und die Arbeitsproduktivität beziehen sich auf saison- und arbeitstäglich bereinigte Daten. Aufgrund von Daten, die erst nach dem Redaktionsschluss der Projektionen veröffentlicht wurden, können historische Daten von den jüngsten Eurostat-Veröffentlichungen abweichen.
1) Einschließlich des Handels der Länder des Euroraums untereinander.
2) Der Teilindex basiert auf Schätzungen der tatsächlichen Auswirkungen indirekter Steuern. Es können sich hier Unterschiede zu Eurostat-Daten ergeben, da diese auf der Annahme beruhen, dass Effekte indirekter Steuern vollständig und unmittelbar auf den HVPI durchwirken.
3) Berechnet als öffentlicher Finanzierungssaldo, bereinigt um vorübergehende Effekte des Konjunkturzyklus und um Maßnahmen, die laut Definition des Europäischen Systems der Zentralbanken als befristet einzustufen sind.
4) Die Messgröße für den finanzpolitischen Kurs ist die Veränderung des konjunkturbereinigten Primärsaldos nach Abzug der staatlichen Stützungsmaßnahmen für den Finanzsektor. Die abgebildeten Zahlen sind auch um die erwarteten Zuschüsse aus dem Programm Next Generation EU (NGEU) auf der Einnahmenseite bereinigt. Eine negative Zahl impliziert eine Lockerung des finanzpolitischen Kurses.

Was die Komponenten des realen BIP betrifft, so werden sich die realen Konsumausgaben der privaten Haushalte wohl allmählich erholen, da die Unsicherheit abnimmt und die Realeinkommen sowie das Vertrauen zunehmen. Die privaten Konsumausgaben dürften sich ab dem zweiten Quartal 2023 erholen. Dies steht im Einklang mit dem Rückgang der Inflation und der Erholung des Vertrauens bei weitgehend neutralem finanzpolitischen Kurs. Da Inflation und Unsicherheit weiter zurückgehen und das Realeinkommen anzieht, werden sich die Konsumausgaben über die kurze Frist hinaus weiter erholen und etwas schneller wachsen als das real verfügbare Einkommen, da sich die Ersparnisse weiter normalisieren, wenn auch langsam. Das Wachstum der privaten Konsumausgaben für 2023 wurde gegenüber den Projektionen vom März nach unten korrigiert. Dies ist auf die Entwicklung Anfang 2023 zurückzuführen, die schwächer ausfiel als erwartet. Für 2024 und 2025 wurde es nach oben korrigiert, was auf ein kräftigeres Einkommenswachstum zurückzuführen ist. Letzteres wird sowohl durch die Komponenten Arbeit als auch nicht arbeitsbezogene Faktoren gestützt. Darüber hinaus schlägt sich eine im Jahr 2024 geringfügigere Rücknahme der verbleibenden finanzpolitischen Unterstützung nieder.

Nach einer Stagnation im Jahr 2022 wird sich das real verfügbare Einkommen den Projektionen zufolge erholen, getragen von sinkender Inflation und robustem Lohnwachstum, vor dem Hintergrund eines robusten Arbeitsmarkts. Beim real verfügbaren Einkommen war im Jahr 2022 eine Stagnation festzustellen (um die Jahreswende ging es dann zurück). Dies war auf die hohe Inflation und einen insgesamt negativen Beitrag der Transferleistungen zum Einkommen der privaten Haushalte zurückzuführen, worin sich die Rücknahme von Unterstützungsmaßnahmen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie (Covid-19) widerspiegelte. Es wird erwartet, dass sich das real verfügbare Einkommen im Laufe des Jahres 2023 vor dem Hintergrund einer rückläufigen, aber immer noch erhöhten Inflation allmählich erholt. Ein stärkeres Wachstum der Löhne und sonstigen Einkommen sowie das anhaltende Beschäftigungswachstum dürften die Kaufkraft der privaten Haushalte stützen. Allerdings werden sich diese Faktoren über den Projektionszeitraum hinweg wohl allmählich abschwächen. Transferleistungen dürften über den gesamten Projektionszeitraum hinweg einen weitgehend neutralen Beitrag zum Wachstum des real verfügbaren Einkommens leisten. Da die Inflation den Erwartungen zufolge weiter zurückgehen und die Wirtschaftstätigkeit erheblich anziehen wird, wodurch die gute Lage an den Arbeitsmärkten erhalten bleibt, dürfte das real verfügbare Einkommen 2024 und 2025 das vor der Pandemie verzeichnete Niveau deutlich übertreffen.

Die Sparquote der privaten Haushalte dürfte 2023 auf einem erhöhten Niveau verharren und danach nur leicht zurückgehen. Die Sparquote stieg Ende 2022 an, vor allem aus Vorsichtsgründen im Zusammenhang mit einer hohen Unsicherheit. Es wird erwartet, dass die Sparquote 2023 erhöht bleibt, da die höheren Zinsen dem Wunsch der privaten Haushalte entgegenwirken, das Sparverhalten nach der Pandemie zu normalisieren. Da die Unsicherheit und der Inflationsdruck über den Projektionszeitraum hinweg weiter zurückgehen, dürfte die Sparquote der privaten Haushalte leicht sinken, aber weiterhin über dem vor der Pandemie verzeichneten Niveau liegen. Es wird nicht erwartet, dass die vor allem von vermögenderen Haushalten aufgebauten überschüssigen Ersparnisse, die in illiquiden Vermögenswerten gehalten werden, das Wachstum der privaten Konsumausgaben wesentlich ankurbeln. Vor dem Hintergrund höherer Zinsen und einer Verschärfung der Kreditangebotsbedingungen dürften die privaten Haushalte ihr Vermögen weiter in Anlageformen mit höherer Rendite umschichten.

Kasten 1
Technische Annahmen im Hinblick auf Zinssätze, Rohstoffpreise und Wechselkurse

Im Vergleich zu den Projektionen vom März 2023 enthalten die technischen Annahmen etwas höhere Zinssätze, niedrigere Ölpreise, deutlich günstigere Großhandelspreise für Gas und Strom sowie eine Aufwertung des Euro. Die technischen Annahmen zu den Zinssätzen und Rohstoffpreisen beruhen auf den Markterwartungen; Redaktionsschluss war der 23. Mai 2023. Die Kurzfristzinsen werden am Dreimonats-EURIBOR gemessen, und die Markterwartungen sind von den Zinssätzen für Terminkontrakte abgeleitet. Für die langfristigen Zinssätze wird als Näherungswert auf die Renditen zehnjähriger Staatsanleihen zurückgegriffen.[4] Sowohl die kurz- als auch die langfristigen Zinssätze sind seit Redaktionsschluss der März-Projektionen geringfügig gestiegen. Die Werte für die Zinssätze wurden aufgrund der weiteren Leitzinserhöhungen der EZB gegenüber den März-Projektionen um jeweils rund 10 Basispunkte nach oben korrigiert.

Tabelle

Technische Annahmen

Die technischen Annahmen für die Ölpreise wurden nach unten korrigiert, da die Bedenken hinsichtlich der weltweiten Ölnachfrage schwerer wogen als die Befürchtungen in Bezug auf ein unzureichendes Ölangebot.[5] Der seit den März-Projektionen verzeichnete Rückgang des Ölpreises ist auf drei Faktoren zurückzuführen: Auf Bedenken wegen der weltweiten Nachfrage im Zusammenhang mit Spannungen im US-Bankensektor (erzeugt Abwärtsdruck), auf eine höhere Nachfrage aus China nach dem Wiederhochfahren der dortigen Wirtschaft und auf die Entscheidung der OPEC+, das Ölangebot zu drosseln (erzeugt Aufwärtsdruck). Die Öl-Terminkontraktkurve hat sich seit den Projektionen vom März 2023 nach unten verschoben (um 5,5 % für 2023, 6,7 % für 2024 bzw. 4,8 % für 2025) und ist weiterhin nach unten gerichtet („Backwardation“). Für 2023 wird ein Ölpreis von 78,0 USD pro Barrel, für 2025 ein Rückgang auf 70,4 USD pro Barrel erwartet.

Die Großhandelspreise für Gas und Strom sind noch weiter unter das vor dem Ukraine-Krieg verzeichnete Niveau gesunken. Gut gefüllte Speicher haben dazu beigetragen, die Gaspreise niedrig zu halten. Die EU ist auf einem guten Weg, wie geplant bis November 2023 einen Füllstand von 90 % zu erreichen. Die Öl-Terminkontraktkurve hat sich seit den März-Projektionen insgesamt nach unten verschoben (um 27 % für 2023, 16 % für 2024 und 9 % für 2025). In Europa wird der Gaspreis im laufenden Jahr voraussichtlich bei 42 EUR pro MWh liegen und 2025 auf 46 EUR pro MWh steigen. Was die CO2-Emissionszertifikate im Rahmen des EU-Emissionshandelssystems betrifft, so wurde die auf Terminkontrakten basierende angenommene Entwicklung gegenüber den März-Projektionen um rund 9 % nach unten korrigiert. Geschuldet ist dies der schwächeren Aktivität in der Industrie, aber auch den im März aufgetretenen Finanzmarktturbulenzen sowie technischen Faktoren.

Es wird angenommen, dass die bilateralen Wechselkurse über den Projektionszeitraum hinweg unverändert auf dem durchschnittlichen Niveau bleiben, das in den zehn Arbeitstagen bis zum Redaktionsschluss verzeichnet worden war. Dies impliziert einen durchschnittlichen USD/EUR-Wechselkurs von 1,09 über den Projektionszeitraum hinweg. Damit wird der im März 2023 projizierte Wert um 0,8 % übertroffen. Die Annahme bezüglich des effektiven Wechselkurses des Euro impliziert eine Aufwertung um rund 1,1 % gegenüber den März-Projektionen.

Den Projektionen zufolge werden die Wohnungsbauinvestitionen 2023 und 2024 angesichts sich verschärfender Finanzierungsbedingungen deutlich zurückgehen. Da Immobilien weiterhin wenig erschwinglich und rentabel sind, werden die Wohnungsbauinvestitionen dieses und nächstes Jahr sinken. Die Erschwinglichkeit wird näherungsweise anhand des Verhältnisses des durchschnittlichen Einkommens zu den durchschnittlichen Hypothekenzahlungen für eine normale Wohnimmobilie bestimmt, die Rentabilität wird am Tobin’s Q gemessen. In der Regel entwickeln sich diese beide Faktoren aufgrund schwankender Wohnimmobilienpreise gegenläufig. In den letzten Quartalen ging jedoch sowohl die Erschwinglichkeit als auch die Rentabilität zurück. Gründe hierfür sind steigende Hypothekenzinsen und höhere Baukosten vor dem Hintergrund einer verhaltenen Entwicklung der Wohnimmobilienpreise und einer schwachen Dynamik des verfügbaren Einkommens. Diese Konstellation wird im Zusammenspiel mit Beschränkungen des Kreditangebots das Niveau der Wohnungsbauinvestitionen weiterhin stark belasten. Obwohl sich das Wachstum der Wohnungsbauinvestitionen Schätzungen zufolge im ersten Quartal 2023 dank nachlassender Lieferengpässe und günstiger Witterungsbedingungen in einigen Ländern vorübergehend ins Positive gekehrt hat, dürfte der Rückgang, der im zweiten Quartal 2022 eingesetzt hat, bis 2024 anhalten. 2025 dürfen die Wohnungsbauinvestitionen angesichts einer Erholung bei Erschwinglichkeit und Rentabilität sowie einer Stabilisierung bei Hypothekenzinsen und Baukosten wieder beständig zunehmen.

Die Investitionen der Unternehmen dürften durch restriktivere Finanzierungskosten und verschärfte Kreditangebotsbedingungen gedämpft werden, bevor sie sich im weiteren Verlauf des Projektionszeitraums wieder deutlicher erholen. Das Wachstum der Unternehmensinvestitionen war im Schlussquartal 2022 eingebrochen, für 2023 wird jedoch mit einer Erholung gerechnet. Dies steht im Gegensatz zum anhaltenden Rückgang, der im März projiziert worden war. Klammert man die sehr volatilen Investitionen in geistiges Eigentum in Irland[6] aus, so fällt der Rückgang der Unternehmensinvestitionen im Schlussquartal 2022 deutlich geringer aus. Zudem dürfte er sich im ersten Quartal 2023 wieder vollständig umgekehrt haben. Insgesamt wird erwartet, dass die Unternehmensinvestitionen wieder eine positive Wachstumsrate verzeichnen werden. 2023 und 2024 dürfte das Wachstumstempo jedoch verhalten ausfallen, da Kreditangebotseffekte zunehmend zum Tragen kommen, die Lohnkosten steigen und finanzpolitische Stützungsmaßnahmen zurückgenommen werden. 2025 werden die Investitionen – vor allem jene in Projekte im Zusammenhang mit grünem Wandel oder Digitalisierung – angeregt vom Programm NextGeneration EU (NGEU) wieder anziehen, was zum Teil der steigenden Binnen- und Auslandsnachfrage sowie dem Gewinnwachstum zuzuschreiben ist.

Kasten 2
Das außenwirtschaftliche Umfeld

Die Ausgangslage der Weltwirtschaft war Anfang 2023 solider. Es wird davon ausgegangen, dass sie über den Projektionszeitraum hinweg moderat wachsen wird, mit einem etwas stärkeren Anstieg im Jahr 2025. Das weltweite BIP (ohne Euroraum) entwickelte sich im ersten Quartal 2023 überraschend gut, da das Wachstum sowohl in China als auch in den Vereinigten Staaten die Erwartungen übertraf. Im Fall Chinas war dies darauf zurückzuführen, dass sich die Wirtschaft nach Aufhebung der pandemiebedingten Beschränkungen früher und kräftiger erholte als erwartet. Bei den Vereinigten Staaten trug der robuste Arbeitsmarkt seinen Teil bei. Die Nachwehen der Anfang März im US-Bankensektor aufgetretenen Spannungen führten an den globalen Finanzmärkten kurzfristig zu akutem Stress. Seitdem konnten die meisten Anlageklassen ihre Verluste trotz der anhaltenden Unsicherheit aber wieder wettmachen. In Bezug auf die Weltwirtschaft (ohne Euroraum) wird für 2023 und 2024 jeweils ein Wachstum von 3,1 % projiziert. Für 2025 wird ein Anstieg auf 3,3 % erwartet. Die Wachstumsaussichten bleiben gegenüber den März-Projektionen weitgehend unverändert.

Trotz der positiven Konjunkturentwicklung bleibt der internationale Handel schwach, da er als Komponente der weltweiten Nachfrage eine zunehmend kleinere Rolle spielt. Auf mittlere Sicht dürfte er sich aber stärker im Einklang mit dem Wachstum des realen BIP entwickeln. Die derzeit geringe Handelsintensität des Wachstums ist auf das Zusammenspiel verschiedener Faktoren zurückzuführen. Hier sind etwa das geänderte Konsumverhalten nach der Pandemie (Verlagerung weg von Waren hin zu Dienstleistungen) und eine geringere Investitionstätigkeit aufgrund höherer Zinssätze zu nennen. Folglich wird der Welthandel den Projektionen zufolge 2023 um 1,3 % zunehmen. Damit ist sein Wachstum im Vergleich zum langfristigen Durchschnitt und auch im Vergleich mit dem globalen Wachstum sehr verhalten. Die Zusammensetzung des Konsums in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften dürfte sich über den Projektionszeitraum hinweg nach und nach normalisieren. Bei den Investitionen wird eine Erholung erwartet. Vor diesem Hintergrund wird davon ausgegangen, dass der Welthandel 2024 und 2025 nur etwas stärker zunimmt als das globale Wachstum. Bei der Auslandsnachfrage nach Produkten des Euroraums wird eine ähnliche Entwicklung erwartet. Für 2023 wird ein Zuwachs um 0,5 % projiziert, der 2024 und 2025 kräftig auf 3,1 % steigen dürfte. Die Projektionen für den Welthandel und die Auslandsnachfrage nach Produkten des Euroraums für 2023 wurde nach unten korrigiert. Dies ist insbesondere auf beträchtliche negative Überhangeffekte infolge der zum Jahreswechsel schwächer als erwartetet ausgefallenen Handelsbilanz zurückzuführen. Für die Zeit danach bleiben die Projektionen weitgehend unverändert.

Tabelle

Das außenwirtschaftliche Umfeld

(Veränderung gegen Vorjahr in %)

1) Berechnet als gewichteter Durchschnitt der Importe.
2) Berechnet als gewichteter Durchschnitt der Importe von Handelspartnern des Euroraums.
3) Berechnet als gewichteter Durchschnitt der Exportdeflatoren von Handelspartnern des Euroraums.

Auf der Weltwirtschaft lastet weiterhin hoher Preisdruck, die Exportpreise der Handelspartner des Euroraums dürften über den Projektionszeitraum hinweg moderat steigen. Der globale Gesamtindex der Verbraucherpreise verzeichnete im dritten Quartal 2022 mit 8,3 % einen Höchststand. Seither ist er vor dem Hintergrund nachlassender Lieferengpässe, geringerer Transportkosten, sinkender Energiepreise und einer schwächeren Nachfrage im Zusammenhang mit der weltweit gleichzeitigen geldpolitischen Straffung zurückgegangen. Die robusten Arbeitsmärkte und das kräftige Lohnwachstum insbesondere in wichtigen fortgeschrittenen Volkswirtschaften lassen darauf schließen, dass der Druck auf die zugrunde liegende Inflation hoch bleibt und der Rückgang der Inflationsraten allmählich vonstattengehen wird. Die Exportpreise der Wettbewerber des Euroraums (in den Landeswährungen) verzeichneten im zweiten Quartal 2022 einen Höchststand. Seitdem sind sie aufgrund negativer Basiseffekte bei den Rohstoffpreisen rapide gesunken. In Anbetracht der Entwicklung der technischen Annahmen dürfte dies kurzfristig weiterhin der Fall sein. Es wird erwartet, dass die Preise der Wettbewerber über den verbleibenden Projektionszeitraum hinweg stärker im Einklang mit historischen Durchschnittswerten steigen werden, da sich der starke binnen- und außenwirtschaftliche Inflationsdruck abschwächen dürfte.

Das Exportwachstum im Eurogebiet dürfte sich erholen und dabei von einer im Zuge nachlassender Lieferengpässe steigenden Auslandsnachfrage getragen werden. In den letzten beiden Quartalen waren die realen Exporte des Euroraums rückläufig. Nun wird davon ausgegangen, dass sie angesichts sich abschwächender Lieferengpässe und der gestiegenen Nachfrage nach Reiseverkehrsdienstleistungen des Euroraums steigen werden. Diese Faktoren dürften die jüngste Verschlechterung der preislichen Wettbewerbsfähigkeit des Euroraums ausgleichen. Diese ist indes noch deutlich besser als vor der Pandemie. Daher wird für die Exporteure des Euroraums insgesamt ein weiterer Anstieg der Exportmarktanteile projiziert. Auf kurze Sicht dürfte das Importwachstum des Euroraums angesichts verhaltener Energieimporte und einer geringen Binnennachfrage schwach sein, im Zuge der Erholung der Binnennachfrage mittelfristig aber wieder steigen. Alles in allem deuten schwächere Importe in Kombination mit Exportzuwächsen auf einen positiven Beitrag des Außenhandels zum BIP-Wachstum in diesem Jahr hin (siehe Abbildung 2). Die sinkenden Energiepreise haben auf kurze Sicht zu einer Verbesserung der Terms of Trade im Euroraum geführt, wobei für den Projektionszeitraum weitere moderate Zugewinne erwartet werden. Es wird erwartet, dass die verbesserten Terms of Trade zu einem Anstieg der Leistungsbilanz des Euroraums beitragen. Den Projektionen zufolge wird sich Letztere 2023 erholen und in den beiden Folgejahren geringfügig weiter verbessern.

Abbildung 2

Reales BIP im Euroraum – Aufgliederung in die wichtigsten Verwendungskomponenten

(Veränderung gegen Vorjahr in %, Beiträge in Prozentpunkten)

Anmerkung: Die Daten sind saison- und arbeitstäglich bereinigt. Aufgrund von Daten, die erst nach dem Redaktionsschluss der Projektionen veröffentlicht wurden, können historische Daten von den jüngsten Eurostat-Veröffentlichungen abweichen. Die vertikale Linie markiert den Beginn des Projektionszeitraums.

Der Arbeitsmarkt dürfte über den Projektionszeitraum hinweg robust und angespannt bleiben (siehe Abbildung 3). Trotz eines leichten Rückgangs des realen BIP legte die Beschäftigung im ersten Quartal 2023 mit einem Plus von 0,6 % gegenüber dem Vorquartal deutlich zu. Dies war vor allem einem robusten Anstieg der Erwerbsbevölkerung geschuldet. Die Beschäftigung dürfte 2023 um 1,3 % zulegen, über den verbleibenden Projektionszeitraum hinweg aber langsamer ansteigen. Für 2025 wird ein Wachstum von 0,4 % erwartet. Die Arbeitslosenquote hat bereits ein Rekordtief erreicht und wird den Projektionen zufolge weiter zurückgehen (auf 6,3 % im Jahr 2025). Die durchschnittlichen Arbeitsstunden je Beschäftigten dürften über den Projektionszeitraum hinweg weiter steigen. Dies steht im Gegensatz zum Abwärtstrend in den Jahren vor der Pandemie. Dennoch dürften die geleisteten Arbeitsstunden im Schlussquartal 2025 immer noch unter dem Vorkrisenniveau liegen. Das Produktivitätswachstum hat in den letzten Quartalen stark abgenommen. Im ersten Vierteljahr 2023 schrumpfte es um 0,6 %. Den Projektionen zufolge wird es dieses Jahr die Talsohle erreichen und in den beiden Folgejahren wieder über seinem historischen Durchschnitt liegen.

Abbildung 3

Arbeitsmarkt im Euroraum

(in % der Erwerbspersonen (linke Skala), Veränderung gegen Vorjahr in % (rechte Skala))

Anmerkung: Die vertikale Linie markiert den Beginn des Projektionszeitraums.

3 Haushaltsaussichten

Auf Ebene des Euroraums sind die Veränderungen diskretionärer finanzpolitischer Maßnahmen gegenüber den Projektionen vom März 2023 relativ begrenzt. Die Korrekturen der finanzpolitischen Annahmen für 2023 beziehen sich in erster Linie auf finanzpolitische Stützungsmaßnahmen, die als Reaktion auf die Energiekrise und die hohe Inflation ergriffen wurden. Für sie werden nun rund 1,6 % statt wie in den März-Projektionen 1,8 % des BIP angesetzt. Die auf Ebene des Euroraums recht begrenzte Korrektur ist allerdings auf Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern zurückzuführen. Einerseits sinken die finanzpolitischen Kosten bestimmter Maßnahmen aufgrund des erneuten Rückgangs der Großhandelspreise für Energie. Dies gilt insbesondere für die in mehreren Ländern geltenden Preisobergrenzen für Gas und Strom. Andererseits hängt ein großer Teil der finanzpolitischen Unterstützungsmaßnahmen – vor allem Maßnahmen, die unmittelbar die Einkommen stützen, oder beschlossene Mehrwertsteuersenkungen – nicht direkt von den Energiepreisen ab. Darüber hinaus wurden bei einigen Ländern die finanzpolitischen Unterstützungsmaßnahmen gegenüber den März-Projektionen etwas nach oben korrigiert, da zwischenzeitig Maßnahmen bis 2023 verlängert oder Schätzungen aktualisiert wurden, die in den von Regierungen der Euro-Länder erstellten Stabilitätsprogrammen für das laufende Jahr enthalten sind. Anders als für 2023 ergibt sich aus den Korrekturen diskretionärer Maßnahmen für 2024 eine geringere Straffung der Finanzpolitik gegenüber den Projektionen vom März. Außer der Umkehr bei den Auswirkungen energiebezogener Maßnahmen sind für die Korrekturen auch die folgenden Faktoren ausschlaggebend: höhere Investitionen der öffentlichen Hand (teilweise bedingt durch einen gewissen Aufschub bei NGEU-finanzierten Projekten) etwas höhere Rentenausgaben, weitere Kürzungen bei direkten Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen sowie ein kräftigeres Lohnwachstum im öffentlichen Sektor mehrerer Länder. Der um NGEU-Zuschüsse bereinigte finanzpolitische Kurs des Euroraums wird den Projektionen zufolge 2023 weitgehend neutral sein. 2024 dürfte er deutlich restriktiver ausfallen, da voraussichtlich rund 70 % der energie- und inflationsbezogenen Stützungsmaßnahmen aus dem Vorjahr wegfallen. 2025 dürfte er dann weitgehend neutral sein. Verglichen mit 2019, d. h. der Zeit vor der Pandemie, enthalten die aktuellen Basisprojektionen nach wie vor erhebliche finanzpolitische Unterstützungsmaßnahmen.

Die finanzpolitischen Aussichten im Euroraum dürften sich über den gesamten Projektionszeitraum hinweg verbessern. Nachdem das Haushaltsdefizit im Euroraum im vergangenen Jahr deutlich gesunken ist, dürfte es 2023 und 2024 langsamer und 2025 lediglich geringfügig zurückgehen, und zwar auf 2,5 % des BIP. Die rückläufige Entwicklung des öffentlichen Finanzierungssaldos am Ende des Projektionszeitraums gegenüber 2022 ist dem verbesserten konjunkturbereinigten Primärsaldo und, in geringerem Maße, einer günstigeren Konjunkturkomponente zuzuschreiben. Indessen nehmen die Zinsausgaben in Relation zum BIP im Projektionszeitraum allmählich zu. Die Verschuldung im Euroraum dürfte weiter zurückgehen (nach 2022 jedoch etwas langsamer), und zwar auf 87,3 % des BIP bis 2025. Dies ist vorwiegend auf negative Zins-Wachstums-Differenziale zurückzuführen, die die anhaltenden Primärdefizite mehr als ausgleichen. Dennoch dürften sowohl die Defizit- als auch die Schuldenquote im Jahr 2025 über dem vor der Pandemie verzeichneten Niveau bleiben. Der Finanzierungssaldo zum Ende des Projektionszeitraums bleibt gegenüber den Projektionen vom März weitgehend unverändert. Die Schuldenquote für den Zeitraum 2023 bis 2025 wurde hingegen, vor allem aufgrund weniger günstiger Zins-Wachstums-Differenziale, leicht nach oben korrigiert.

4 Preise und Kosten

Die am HVPI gemessene Inflation wird den Projektionen zufolge sinken und im Jahr 2023 im Schnitt bei 5,4 % liegen. 2024 dürfte sie sich auf 3,0 % und 2025 auf 2,2 % belaufen. Nach einem kräftigen Rückgang im Jahresverlauf 2023 dürfte sich die Inflation 2024 um einen Wert von 3,0 % bewegen, bevor sie 2025 allmählich weiter zurückgeht (siehe Abbildung 4). Dieser Rückgang der Gesamtinflation über den Projektionszeitraum hinweg spiegelt in unterschiedlichem Maße die sinkenden Jahresänderungsraten aller Hauptkomponenten wider. Der Verlauf wird dabei auch von den finanzpolitischen Maßnahmen und den Annahmen für die Rohstoffpreise beeinflusst (siehe Abbildung 5).

Abbildung 4

HVPI-Inflation im Euroraum

(Veränderung gegen Vorjahr in %)

Anmerkung: Die vertikale Linie markiert den Beginn des aktuellen Projektionszeitraums. Die rund um den Projektionspfad der HVPI-Inflation dargestellten Bandbreiten basieren auf früheren Projektionsfehlern und sind um Ausreißer bereinigt. Die Bänder (von dunkel bis hell) zeigen die Wahrscheinlichkeit von 30 %, 60 % bzw. 90 % an, mit der das Ergebnis der HVPI-Inflation im jeweiligen Intervall liegen wird. Weitere Einzelheiten hierzu finden sich in EZB, Gesamtwirtschaftliche Euroraum-Projektionen von Fachleuten der EZB, Kasten 6, März 2023.

Die HVPI-Gesamtinflation dürfte ihren raschen Rückgang im gesamten Jahr 2023 fortsetzen. Grund hierfür sind abwärtsgerichtete Basiseffekte, niedrigere Energiepreise und ein nachlassender Inflationsdruck. Der Preisauftrieb bei Energie dürfte aufgrund abwärtsgerichteter Basiseffekte und der Annahme, dass die Preise für Energierohstoffe sinken, erheblich zu diesem Rückgang beitragen. Die Teuerung bei den Nahrungsmitteln wird weniger schnell fallen. Abwärtsgerichtete Basiseffekte und Annahmen sinkender Energie- und Nahrungsmittelrohstoffpreise werden durch den Aufwärtsdruck gedämpft, der von den steigenden Gewinnmargen, dem dynamischen Wachstum der Arbeitskosten und den verzögerten Auswirkungen vergangener widriger Witterungsbedingungen ausgeht. Die HVPI-Inflation ohne Energie und Nahrungsmittel wird sich den Projektionen zufolge im weiteren Verlauf des Jahres 2023 allmählich abschwächen, da der nachlassende Inflationsdruck den durch ein kräftigeres Lohnwachstum bedingten Aufwärtsdruck mehr als ausgleichen dürfte. Der von zurückliegenden kräftigen Erhöhungen der Erzeugerpreise ausgehende Inflationsdruck lässt nach. Diese Entwicklung dürfte sich durch die dämpfende Wirkung der jüngsten Euro-Aufwertung und die nachlassenden Lieferengpässe noch verstärken. Zugleich dürften die auf kurze Sicht robuste Nachfrage im Bereich Tourismus und der steigende Arbeitskostendruck die HVPI-Inflation ohne Energie und Nahrungsmittel stützen und sie im Sommer wohl auf einem erhöhten Niveau halten, bevor sie anschließend allmählich zurückgehen wird.

Nachdem der Preisauftrieb bei Energie im Jahr 2024 aufgrund des Auslaufens finanzpolitischer Maßnahmen zunimmt, dürfte er im Jahr 2025 Abwärtsdruck auf die Gesamtinflation ausüben. Diese Entwicklung spiegelt das abwärtsgerichtete Profil der technischen Annahmen für die Großhandelspreise von Öl, Gas und Strom zwischen 2024 und 2025 wider. Ein erwarteter Wiederanstieg der Energiepreise im Jahr 2024 ist in erster Linie auf starke aufwärtsgerichtete Basiseffekte und das Auslaufen vieler staatlicher Maßnahmen zurückzuführen, mit denen die Teuerung bei Gas und Strom abgeschwächt werden sollte.

Die Inflation bei Nahrungsmitteln dürfte in den späteren Jahren des Projektionszeitraums entsprechend den Rohstoffpreisannahmen zurückgehen. Die Entwicklung der Arbeitskosten dürfte zu einem wichtigen Treiber der Inflation bei Nahrungsmitteln werden, da die Preise für Nahrungsmittel und Energierohstoffe den Annahmen zufolge bis zum Ende des Projektionszeitraums weiter sinken, aber über dem Niveau der Jahre vor 2022 bleiben.

Auf mittlere Sicht wird die HVPI-Inflation ohne Energie und Nahrungsmittel den Projektionen zufolge weiterhin allmählich zurückgehen. Aufgrund des über den gesamten Projektionszeitraum kräftigen Lohnwachstums wird sie aber auf erhöhtem Niveau bleiben. Gründe für den erwarteten Rückgang von 5,1 % im Jahr 2023 auf 2,3 % im Jahr 2025 sind das Nachlassen indirekter Effekte der Energiepreise, der Wegfall von Lieferengpässen, der dämpfende Einfluss der geldpolitischen Straffung und die Normalisierung der Nachfrage nach der kräftigen Erholung im Anschluss an die Pandemie. Die HVPI-Inflation ohne Energie und Nahrungsmittel wird allerdings mittelfristig deutlich über ihrem historischen Durchschnitt von 1,5 % bleiben. Verantwortlich hierfür ist die starke Dynamik der Lohnstückkosten, die in erster Linie dem Lohnwachstum geschuldet ist und durch einen Rückgang der Gewinne je BIP-Einheit im Jahr 2024 teilweise abgefedert wird.

Abbildung 5

HVPI-Inflation im Euroraum – Aufgliederung in die Hauptkomponenten

(Veränderung gegen Vorjahr in %; Beiträge in Prozentpunkten)

Anmerkung: Die vertikale Linie markiert den Beginn des aktuellen Projektionszeitraums.

Die Löhne werden den Projektionen zufolge deutlicher stärker steigen als im historischen Durchschnitt. Gründe hierfür sind der Inflationsausgleich, die angespannte Lage am Arbeitsmarkt und höhere Mindestlöhne. Den Projektionen zufolge wird das Wachstum des Arbeitnehmerentgelts je Arbeitnehmer von 5,3 % im Jahr 2023 auf 4,5 % im Jahr 2024 und 3,9 % im Jahr 2025 zurückgehen. Dabei dürften die Lohnsteigerungen sowohl im öffentlichen als auch im privaten Sektor deutlich über dem historischen Durchschnitt liegen. 2023 bleibt der Wert unverändert gegenüber den Projektionen vom März. Für 2024 und 2025 wird aufgrund der angespannteren Lage am Arbeitsmarkt hingegen mit einem kräftigeren Wachstum gerechnet. Die aus dem Inflationsschub resultierenden Kaufkraftverluste dürften erst am Ende des Projektionszeitraums aufgeholt werden. Das Wachstum der Lohnstückkosten dürfte 2023 seinen Höhepunkt erreichen und in den beiden Folgejahren vor dem Hintergrund eines rückläufigen Lohnwachstums und einer Erholung des Produktivitätswachstums zurückgehen.

Die nachlassenden Lieferengpässe, die schwache gesamtwirtschaftliche Nachfrage im Jahr 2023 und das kräftige Lohnwachstum über weite Strecken des Projektionszeitraums stimmen mit rückläufigen Gewinnindikatoren über den Projektionszeitraum überein. Die Margen der Unternehmen haben in den Jahren 2021 und 2022 von besonderen Faktoren profitiert; dies dürfte auch 2023 der Fall sein (siehe Abbildung 6).[7] Der Abbau der pandemiebedingt aufgestauten Nachfrage, die nachlassenden Lieferengpässe und die dämpfenden Effekte der geldpolitischen Straffung dürften vermehrt Druck auf die Gewinne je BIP-Einheit ausüben, ein kräftiges Lohnwachstum und das daraus resultierende Wachstum der Lohnstückkosten aufzufangen. Die Normalisierung der Energiepreise sollte andererseits eine Verbesserung der Terms of Trade bewirken und somit bis zu einem gewissen Grad die negativen Auswirkungen des höheren Lohnwachstums und der schwächeren Binnennachfrage auf die Gewinne je BIP-Einheit abmildern.

Abbildung 6

BIP-Deflator des Euroraums – Komponenten der Verteilungsseite

(Veränderung gegen Vorjahr in %; Beiträge in Prozentpunkten)

Anmerkung: Die vertikale Linie markiert den Beginn des aktuellen Projektionszeitraums.

Nach einem sprunghaften Anstieg im Jahr 2022 dürfte sich die Jahreswachstumsrate der Einfuhrpreise 2023 ins Negative kehren, was über den Projektionszeitraum hinweg günstigere Terms of Trade zur Folge haben dürfte. 2022 hatte der Importdeflator mit 17,2 % rapide zugelegt. Es wird erwartet, dass er 2023 deutlich nachgeben und schrumpfen wird, bevor er 2024 und 2025 im Einklang mit dem angenommenen Rückgang der Öl-, Gas- und sonstigen Rohstoffpreise sowie dem Wegfall von Lieferengpässen für importierte Vorleistungen in den positiven Bereich zurückkehrt.

Gegenüber den Projektionen vom März 2023 wurden die Projektionen für die HVPI-Inflation für alle Jahre des Projektionszeitraums jeweils um 0,1 Prozentpunkte nach oben korrigiert. Die Abwärtskorrekturen bei den Energiekomponenten wurden durch Aufwärtskorrekturen bei den nicht energiebezogenen Komponenten aufgewogen. Der Preisauftrieb bei Nahrungsmitteln wurde aufgrund überraschend hoher Werte und eines kräftigeren Lohnwachstums trotz schwächerer technischer Annahmen für Energie- und Nahrungsmittelrohstoffpreise nach oben korrigiert. Der Wert für die HVPI-Inflation ohne Energie und Nahrungsmittel wurde für die kurze Sicht nach oben korrigiert. Grund hierfür sind vor allem die jüngsten unerwartet positiven Daten, die die erwarteten nachlassenden indirekten Effekte im Zusammenhang mit den niedrigeren Energiepreisen mehr als aufwogen. Auch für die mittlere Sicht wurde eine Aufwärtskorrektur vorgenommen. Bedingt ist Letztere durch eine größere Persistenz der zugrunde liegenden Inflation und einen stärkeren Druck aufgrund des Wachstums der Lohnstückkosten.

Kasten 3
Sensitivitätsanalyse: divergierende Entwicklungen der Energiepreise

Angesichts der erheblichen Unsicherheit, mit der die künftige Entwicklung der Energiepreise behaftet ist, werden divergierende Entwicklungen der Energiepreise anhand von optionsbasierten Öl- und Gaspreisen sowie einer konstanten Preisentwicklung abgeleitet. So sollen die Auswirkungen auf die Aussichten für die HVPI-Inflation und das Wachstum des realen BIP bewertet werden. Bei dieser Sensitivitätsanalyse wird ein synthetischer Energiepreisindex verwendet, der sowohl Öl- als auch Gasterminkontrakte kombiniert. Die divergierenden ab- bzw. aufwärtsgerichteten Entwicklungen ergeben sich aus dem 25. und 75. Perzentil der optionsbasierten neutralen Dichten für die Öl- und Gaspreise am 23. Mai 2023 (dem Redaktionsschluss für die technischen Annahmen). Beide Verteilungen deuten auf Aufwärtsrisiken für die in den Projektionen vom Juni 2023 enthaltenen technischen Annahmen hin, wobei die Aufwärtsrisiken bei den Gasterminkontrakten besonders ausgeprägt sind. Zudem wird sowohl für Öl- als auch Gaspreise eine Annahme konstanter Preise berücksichtigt. Die Auswirkungen der divergierenden Entwicklungen werden anhand einer Reihe makroökonomischer Modelle von EZB und Eurosystem beurteilt, die in den Projektionen verwendet werden. Die durchschnittlichen Auswirkungen auf das Wachstum des realen BIP und die Inflation für diese Modelle sind der nachstehenden Tabelle zu entnehmen.

Tabelle

Auswirkungen divergierender Energiepreisentwicklungen

Anmerkung: Bei dieser Sensitivitätsanalyse wird ein synthetischer Energiepreisindex verwendet, der die Preise für Öl- und Gasterminkontrakte kombiniert. Das 25. und das 75. Perzentil beziehen sich auf die optionsbasierten neutralen Dichten für die Öl- und Gaspreise am 23. Mai 2023. Die konstanten Öl- und Gaspreise nehmen ihren jeweiligen Wert zum selben Zeitpunkt an. Die makroökonomischen Auswirkungen werden als Durchschnittswerte aus einigen von Fachleuten der EZB bzw. des Eurosystems verwendeten makroökonomischen Modellen ausgewiesen.

Kasten 4
Prognosen anderer Institutionen

Sowohl von internationalen Organisationen als auch von privatwirtschaftlichen Institutionen liegen Prognosen für den Euroraum vor. Diese Prognosen sind jedoch untereinander bzw. mit den Projektionen des Eurosystems nicht direkt vergleichbar, da sie zu verschiedenen Zeitpunkten fertiggestellt wurden. Darüber hinaus werden bei diesen Projektionen unterschiedliche Methoden zur Ableitung von Annahmen über finanzpolitische, finanzielle und außenwirtschaftliche Variablen (einschließlich Öl-, Gas- und sonstiger Rohstoffpreise) verwendet. Schließlich werden bei den verschiedenen Prognosen unterschiedliche Methoden der Kalenderbereinigung angewandt.

Tabelle

Vergleich der jüngsten Prognosen zum Wachstum des realen BIP und zur HVPI-Inflation im Euroraum

(Veränderung gegen Vorjahr in %)

Quellen: OECD, Wirtschaftsausblick 113, Juni 2023, 7. Juni 2023; Europäische Kommission, Frühjahrsprognose 2023, 15. Mai 2023; Prognose von Consensus Economics, 11. Mai 2023 (die Daten für 2025 stammen aus der Umfrage vom April 2023); EZB, Survey of Professional Forecasters, 5. Mai 2023; IWF, World Economic Outlook, 11. April 2023.
Anmerkung: Die von Fachleuten des Eurosystems erstellten gesamtwirtschaftlichen Projektionen verwenden arbeitstäglich bereinigte Jahreswachstumsraten, während die Europäische Kommission und der IWF jährliche Zuwachsraten heranziehen, die nicht um die Zahl der Arbeitstage pro Jahr bereinigt wurden. Andere Prognosen enthalten keine Angaben dazu, ob arbeitstäglich bereinigte oder nicht arbeitstäglich bereinigte Daten ausgewiesen werden.

Die von Fachleuten des Eurosystems erstellten Projektionen vom Juni 2023 liegen für das BIP-Wachstum und die Inflation innerhalb der Bandbreite anderer Prognosen. Beim BIP-Wachstum stimmen sie mit der OECD-Prognose überein, liegen leicht unter der Prognose der Europäischen Kommission, aber über der Prognose des IWF und Prognosen des privaten Sektors für die Jahre 2023 bis 2024. In Bezug auf die HVPI-Inflation weisen sie für 2024 einen der höchsten Werte aus, liegen aber 0,2 Prozentpunkte unter der Prognose der OECD. Für 2025 befinden sich die Projektionen am oberen Ende der engen Bandbreite anderer Prognosen, entsprechen jedoch den Prognosen des IWF und des Survey of Professional Forecasters.

© Europäische Zentralbank, 2023

Postanschrift 60640 Frankfurt am Main, Deutschland
Telefon +49 69 1344 0
Website www.ecb.europa.eu

Alle Rechte vorbehalten. Die Anfertigung von Kopien für Ausbildungszwecke und nichtkommerzielle Zwecke ist mit Quellenangabe gestattet.

Informationen zur Fachterminologie finden sich im EZB-Glossar.

HTML ISBN 978-92-899-5740-3, ISSN 2529-4652, DOI:10.2866/506744, QB-CF-23-001-DE-Q


  1. Redaktionsschluss für technische Annahmen, beispielsweise zu den Ölpreisen und Wechselkursen, war der 23. Mai 2023. Die Projektionen für die Weltwirtschaft wurden am 23. Mai und die gesamtwirtschaftlichen Projektionen für den Euroraum am 31. Mai 2023 fertiggestellt. Zwar wurde die HVPI-Schnellschätzung für den Euroraum für Mai 2023 von Eurostat erst am folgenden Tag veröffentlicht, doch wurden in den Projektionen frühere nationale Schnellschätzungen berücksichtigt, die mehr als 80 % des Euroraums abdecken. Die aktuellen Projektionen beziehen sich auf die Jahre 2023 bis 2025. Bei ihrer Interpretation ist zu berücksichtigen, dass Projektionen für einen so langen Zeitraum mit sehr großer Unsicherheit behaftet sind. Siehe EZB, The performance of the Eurosystem/ECB staff macroeconomic projections since the financial crisis, Wirtschaftsbericht, 8/2019, Dezember 2019. Die den ausgewählten Tabellen und Abbildungen zugrunde liegenden Daten sind auch unter http://www.ecb.europa.eu/pub/projections/html/index.de.html abrufbar. Eine Datenbank mit allen früheren gesamtwirtschaftlichen Projektionen der Fachleute der EZB und des Eurosystems findet sich unter https://sdw.ecb.europa.eu/browseSelection.do?node=5275746.

  2. Den von Fachleuten des Eurosystems erstellten Projektionen vom Juni 2023 zufolge wird sich das reale BIP-Wachstum des Euroraums im ersten Quartal 2023 auf 0,1 % belaufen und damit 0,2 Prozentpunkte über der am 8. Juni 2023 (nach Redaktionsschluss für die Projektionen) veröffentlichten Schätzung von Eurostat liegen. Diese Diskrepanz hängt vor allem damit zusammen, dass die Projektionen für mehrere kleinere Euro-Länder mit besonders volatilen Quartalsdaten, die häufig deutlichen Korrekturen unterliegen, jährlich durchgeführt und zum Zweck der Erstellung vierteljährlicher Projektionen für den Euroraum interpoliert werden. Dieser Ansatz impliziert ein glatteres Quartalsprofil als bei offiziellen Eurostat-Schätzungen, die auf Quartalsdaten für alle Euro-Länder basieren. Darüber hinaus standen einige Länderdaten erst nach dem Redaktionsschluss für die Juni-Projektionen zur Verfügung.

  3. Siehe hierzu auch EZB, A model-based assessment of the macroeconomic impact of the ECB’s monetary policy tightening since December 2021, Kasten 6, Wirtschaftsbericht 3/2023, Mai 2023.

  4. Die Annahme für die nominalen Renditen zehnjähriger Staatsanleihen im Euroraum beruht auf dem gewichteten Durchschnitt der Renditen der zehnjährigen Benchmark-Anleihen der Länder. Diese Renditen werden mit den jährlichen BIP-Zahlen gewichtet und anhand eines Zukunftsprofils fortgeschrieben, das aus der Zinsstrukturkurve der EZB für die Zehnjahres-Pari-Rendite aller Anleihen des Euroraums abgeleitet wird. Dabei wird die anfängliche Abweichung zwischen den beiden Reihen über den Projektionszeitraum hinweg konstant gehalten. Die Abstände zwischen länderspezifischen Staatsanleiherenditen und dem entsprechenden Euroraum-Durchschnitt werden über den Projektionszeitraum hinweg als konstant angenommen.

  5. Die technischen Annahmen bezüglich der Rohstoffpreise beruhen auf der von den Terminmärkten anhand des Durchschnitts des Zweiwochenzeitraums bis zum Redaktionsschluss am 23. Mai 2023 abgeleiteten Entwicklung.

  6. Siehe EZB, Intangible assets of multinational enterprises in Ireland and their impact on euro area GDP, Kasten 2, Wirtschaftsbericht 3/2023, Mai 2023.

  7. Weitere Informationen zur Zusammensetzung des BIP-Deflators und der Rolle der Gewinne je BIP-Einheit für die Inflationsanalyse finden sich in: O. Arce, E. Hahn und G. Koester, How tit-for-tat inflation can make everyone poorer, EZB-Blog, 30. März 2023; EZB, How do profits shape domestic price pressures in the euro area?, Kasten 6, Wirtschaftsbericht 6/2019, September 2019; und EZB, The role of profit margins in the adjustment to the COVID-19 shock, Wirtschaftsbericht 2/2021, März 2021.