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Geldpolitik im Euro-Währungsgebiet: eine Standortbestimmung

Rede von Yves Mersch, Mitglied des Direktoriums der EZB,28. Internationales ZinsFORUM 2013: Zinsen 2014Frankfurt, den 9. Dezember 2013

Sehr geehrte Damen und Herren,

nach unserer letzten geldpolitischen Sitzung im Jahr 2013, möchte ich diese Gelegenheit für eine Standortbestimmung nutzen.

Dazu werde ich zunächst die aktuelle Wirtschaftslage und Ausrichtung unserer Geldpolitik erläutern.

Zweitens werde ich auf einige Punkte eingehen, die die öffentliche Debatte um die Risiken und Nebenwirkungen unserer Geldpolitik in diesem Jahr geprägt haben.

Zuletzt werde ich den Handlungsspielraum aufzeigen, der uns angesichts der niedrigen Leitzinsen verbleibt, um weiterhin für Preisstabilität im Euroraum zu sorgen.

Wirtschaftslage und aktuelle Ausrichtung der Geldpolitik

Lassen Sie mich zunächst meine Einschätzung zur wirtschaftlichen Lage zusammenfassen.

Das Euro-Währungsgebiet befindet sich auf dem langen und beschwerlichen Weg der Erholung.

Wir gehen davon aus, dass die Wirtschaft im Euroraum dieses Jahr real um 0.4% gegenüber dem Vorjahr schrumpfen wird. Im nächsten Jahr erwarten wir dann – erstmalig seit 2011 – ein positives jährliches Realwachstum von 1.1%, das im Jahr 2015 auf 1.5% ansteigt.

Die prognostizierte Inflation bleibt weiterhin sehr verhalten.

Für dieses Jahr rechnen wir mit einem Anstieg der Verbraucherpreise im Währungsgebiet von 1.4%. Für das nächste Jahr erwarten wir, dass die Inflation auf 1.1% zurückgeht, da einige inflationstreibende Sondereffekte voraussichtlich auslaufen werden. Im Zuge der fortschreitenden wirtschaftlichen Erholung gehen wir für das Jahr 2015 wiederum von einem leichten Anstieg der Inflation auf 1.3% aus.

Was bedeutet dieser wirtschaftliche Ausblick für unsere Geldpolitik?

Die Europäischen Verträge weisen der EZB ein klares Preisstabilitätsmandat zu. Und die EZB hat dieses Mandat in einer ehrgeizigen Zielvorgabe konkretisiert. Diese besteht nun seit mehr als einem Jahrzehnt darin, die Inflation mittelfristig bei knapp 2% zu halten.

Geldpolitische Impulse übertragen sich nur langsam auf gesamtwirtschaftliche Größen wie Inflation und Wachstum. Deshalb ist von der Zentralbank ein vorausschauender und stetiger Kurs gefordert.

Zudem sollten wir auch nicht in Aktionismus verfallen und mechanistisch gegensteuern, wenn die Inflationsrate, wie derzeit, unter der 2%-Marke liegt. Vielmehr sorgen wir dafür, dass die Preisentwicklung nicht auf einen Pfad gelangt, der uns auf längere Sicht von unserem quantitativen Verständnis eines stabilen Preisniveaus wegführt. Dies wäre beispielsweise der Fall, wenn sich klare inflationäre oder deflationäre Tendenzen im Währungsgebiet ausbreiten würden.

Gegenwärtig stehen eher die Abwärtsrisiken im Mittelpunkt der Diskussion. Dabei sind die Risiken für die Inflationsentwicklung nach Einschätzung des EZB-Rats in beide Richtungen gleich verteilt.

Wir haben Anfang November eine Reihe von geldpolitischen Maßnahmen getroffen, um die Abwärtsrisiken bei der Inflationsentwicklung zu begrenzen. Nach heutigem Stand könnte es sein, dass die geldpolitischen Impulse mehr Zeit als gewohnt brauchen, um sich auf Inflation und Wachstum auszuwirken, so dass wir eine längere Zeit niedriger Inflationsraten vor uns haben.

Ich rate aber eindringlich dazu, eine solche Lage deutlich von einem Deflationsszenario abzugrenzen. Von letzterem spräche man nur im Falle eines nachhaltigen Preisverfalls auf breiter Front über längere Zeit, das heißt über mehrere Quartale. Entsprechende Anzeichen gibt es derzeit nicht.

Alles in allem ist damit zu rechnen, dass die Notenbankzinsen für geraume Zeit auf dem gegenwärtigen oder einem niedrigeren Niveau bleiben werden, immer vorausgesetzt, dass sich das erwartete Inflationsprofil nicht verändert.

Niedrige Zinsen

In diesem Umfeld niedriger Leitzinsen hat der Unmut der Sparer zugenommen, weil bestimmte festverzinsliche Anlageformen nur sehr magere Renditen erzielen. Mitunter wird auch die EZB für diese geringen Erträge mitverantwortlich gemacht.

Ich verstehe, dass sich Sparer in diesen Zeiten Sorgen um ihre Erträge machen. Zugleich ist wichtig, sich klarzumachen, welche Möglichkeiten und Aufgaben die Geldpolitik hat – und was nicht in ihrem Aufgaben- oder gar ihrem Einflussbereich liegt:

Der Einfluss, den die Geldpolitik auf die reale Rendite verschiedener Sparformen hat, ist begrenzt. Mittel- bis langfristig ist das Niveau der Realzinsen und damit der realen Rendite von Ersparnissen das Ergebnis realwirtschaftlicher Entwicklungen. Diese liegen außerhalb des geldpolitischen Einflusses. Der „natürliche Realzins“ hängt vom langfristigen Produktionspotenzial der Wirtschaft ab. Auf den Punkt gebracht heißt das: Um höheres Wachstum – und damit auch höhere reale Renditen – zu erzielen, muss die Eurozone als Ganzes wieder wettbewerbsfähiger werden.

Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang auf eine aktuelle Diskussion eingehen, die der frühere US-Finanzminister Larry Summers unlängst wiederbelebt hat. Da in den - alternden - Industrieländern zu viel gespart werde, würde ein neues wirtschaftliches Gleichgewicht langfristig eigentlich einen negativen Zins erfordern: Der natürliche Realzins müsste permanent unter die Nullgrenze fallen, damit die Investitionen mit den Ersparnissen gleichziehen.

Diese Sichtweise ist nicht nur sehr pessimistisch, sondern auch fatalistisch. Denn der natürliche Realzins ist nicht „gottgegeben“, sondern hängt vom langfristigen Produktionspotenzial der Wirtschaft ab. Und dieses Produktionspotenzial lässt sich steigern, wenn Strukturreformen auf den Weg gebracht werden und Unternehmen investieren und innovative Produkte entwickeln.

Die Geldpolitik kann diesen Trend lediglich glättend begleiten. Sie kann die wirtschaftliche Dynamik bremsen, um inflationäre konjunkturelle Überhitzungen zu vermeiden oder aber auch wirtschaftlichen Rezessions- und Krisenszenarien entgegentreten, die mitunter eine Deflationsspirale auslösen können.

Kurz: Wir sollten den Einfluss der Geldpolitik auf die langfristigen Zinsen nicht überbewerten. Langfristige Realzinsen spiegeln vielmehr realwirtschaftliche Faktoren wider.

Dennoch stellt sich die Frage, ob eine zu lange Phase zu niedriger Zinsen nicht auch Gefahren birgt. Sowohl die ökonomische Theorie als auch die Empirie lehren, dass eine Phase „zu lange zu niedriger“ Zinsen dazu beitragen kann, dass Risiken auf Wertpapiermärkten unterpreist werden. Von solchen Verzerrungen auf den Wertpapiermärkten gehen Fehlanreize aus. Dadurch können Vermögenspreisblasen entstehen.

Außerdem können ausufernde Niedrigzinsphasen das Überleben von im Prinzip nicht-überlebensfähigen Banken begünstigen. Diese Erfahrung musste Japan machen. Damit Finanzinstitute nach einer Bankenkrise wieder ihre Funktion erfüllen können, die Realwirtschaft mit Krediten zu versorgen, müssen die Bankbilanzen saniert werden.

Wir sind uns der Risiken einer langen Niedrigzinsphase bewusst. Zugleich sind die makroprudenziellen Autoritäten gefragt, im Fall der Fälle mit markt-spezifischen Instrumenten gegen drohende Ungleichgewichte und Verzerrungen einzuschreiten. Prudenzielle Instrumente, wie zum Beispiel antizyklische Kapitalpolster für Banken, können die Risiken im Finanzmarkt eindämmen und so zu einer störungsfreien Transmission unserer Geldpolitik beitragen.

Schließlich kann die Bankenunion wertvolle Beiträge dazu leisten, künftige Krisen weniger wahrscheinlich zu machen. Eine Bedingung hierfür ist die gerade begonnene umfassende Überprüfung der wichtigsten Banken im Euroraum.

Gleichzeitig ist die Politik und sind die Unternehmer gefragt, die Wirtschaft auf einen nachhaltigen Wachstumspfad zu bringen. Dies bedeutet vor allem, dass sie das günstige Zinsumfeld für produktive Investitionen nutzen.

Investitionen und Wettbewerbsfähigkeit

Die Investitionsquote im Euroraum ist weiterhin vergleichsweise niedrig. Nicht nur in den besonders stark von der Krise betroffenen Ländern.

Es stellt sich also die Frage, warum nicht mehr investiert wird; besonders in den Ländern, die sich das eigentlich leisten könnten. Schließlich schaffen nachhaltige Investitionen die Grundlage, damit sich der zarte wirtschaftliche Aufschwung im Euroraum verstetigen kann.

Schlussendlich ist es Aufgabe der Unternehmen, zu investieren. Sie werden das dann tun, wenn sie Investitionen für lohnenswert halten und ihnen die finanziellen Mittel dafür zur Verfügung stehen.

Damit Kapital dort zur Verfügung gestellt werden kann, wo Bedarf an produktiven Investitionen besteht, braucht Europa einen gesunden Bankensektor. Mit unserer umfassenden Analyse der wichtigsten Banken im Euroraum leisten wir hier einen Beitrag: Zum einen werden wir eventuelle Schwachstellen aufdecken. Zum anderen werden wir Empfehlungen unterbreiten, wie die Banken solche Schwachstellen reparieren können, damit sie gestärkt aus der Übung hervorgehen. Viele Banken bereiten sich schon vor, damit sie weniger korrigierende Maßnahmen nach dem Test einleiten müssen.

Der Aufbau einer Bankenunion ist eine notwendige Bedingung, um den brüchigen Kreditkanal zu reparieren und damit die Finanzierungsbedingungen für Unternehmen zu verbessern. Sie reicht aber nicht aus.

Strukturell ist es erforderlich, die Abhängigkeit vom Bankkredit vor allem der kleinen und mittelgroßen Unternehmen zu verringern. Dreierlei ist dazu von Nöten:

Erstens, ist ein breiterer und tiefgreifender europäischer Kapitalmarkt erforderlich. Derzeit läuft die Finanzierung von Unternehmen in der Eurozone noch zu achtzig Prozent über den Bankkanal, während sie, fast spiegelbildlich, in den USA zu achtzig Prozent über den Kapitalmarkt läuft. Problemtisch ist dabei vor allem, dass der europäische Kapitalmarkt immer noch entlang der nationalen Grenzen fragmentiert ist.

Zweitens sollte der europäische Verbriefungsmarkt wiederbelebt werden. Er kann insbesondere eine Brücke schlagen, zwischen dem eingeschränkten direkten Kapitalmarktzugang kleiner Firmen und dem Bedürfnis der Banken, Klumpenrisiken zu vermeiden sowie dem Bedarf von institutionellen Anlegern nach entsprechenden Produkten.

Dazu bedarf es, drittens, dass regulatorisch anerkannt wird, dass etwa europäische Asset Back Securities kaum Ausfälle zu verzeichnen hatten. Dass sie bei den regulatorischen Eigenkapitalanforderungen für die schmerzhaften Erfahrungen mit immobilienbesicherten US-Verbriefungen büßen müssen, ist unangemessen.

***

Ob eine Investition „sich lohnt“ hängt neben einer guten Geschäftslage auch vom wirtschaftspolitischen Umfeld ab. Deshalb können Regierungen positive Impulse setzen, indem sie ein günstiges Investitionsklima schaffen. Dazu gehört etwa, Markteintrittsbarrieren für neue Unternehmen abzubauen und geschützte Sektoren zu öffnen.

Darüber hinaus machen öffentliche Investitionen in Schlüsselbereichen wie Bildung und Infrastruktur einen Wirtschaftsstandort attraktiver. Das verbessert die Produktionsbedingungen und zieht so auch neue private Investoren an. Dies ist in Zeiten der Konsolidierung und des Deleveragings allerdings kein Selbstläufer. Umso wichtiger ist, dass der Regulierer vor allem für langfristige Investitionsprojekte von Public-Privat-Partnerships keine Hemmnisse aufbaut.

Schließlich steuert eine tragfähige Finanz-und Wirtschaftspolitik dazu bei, Unklarheiten über den wirtschaftspolitischen Kurs in einzelnen Ländern und auch im Euroraum insgesamt zu beseitigen. Das schafft die nötige Sicherheit, damit Investoren nicht länger abwarten. Die Unternehmenseinlagen liegen im Euroraum auf einem gesunden Niveau. Entsprechende Überschüsse könnten in produktive Investitionen fließen.

Geldpolitische Optionen für das Jahr 2014

Diese Überlegungen machen folgendes deutlich: eine nachhaltige und dynamische wirtschaftliche Erholung ist auf Politikmaßnahmen angewiesen, die klar außerhalb des Wirkungskreises der Geldpolitik liegen.

Der einzige – wenn auch wichtige – Beitrag, den wir als Zentralbank leisten können, ist weiterhin für Preisstabilität zu sorgen. Dies schafft verlässliche Rahmenbedingungen, so dass sich Marktakteure und Politik auf Investitions- und Reformvorhaben konzentrieren können, und sich nicht um den Störfaktor Inflation oder Deflation kümmern müssen. Auch wenn es noch keine abschließende Klarheit über die Wirkungszusammenhänge gibt, sind unsere technischen Vorbereitungen doch weitgehend abgeschlossen.

Lassen sie mich einige unserer verbleibenden geldpolitischen Optionen erwähnen, hoffentlich ohne missverstanden zu werden, dass die eine oder andere Option unmittelbar zur Entscheidung anstünde.

Nein, worum es mir geht ist nicht die Vorankündigung von Maßnahmen. Sondern es geht mir darum klarzumachen, dass wir durchaus Pfeile im Köcher haben, von denen, falls notwendig, Gebrauch gemacht werden kann.

Lassen Sie mich beispielhaft drei Maßnahmen nennen. Dies sind nur drei Maßnahmen, die derzeit im Fokus der öffentlichen Diskussion stehen. Aber unser Werkzeugkasten ist selbstverständlich nicht auf diese Instrumente beschränkt:

  • erstens, den Zinssatz der Einlagefazilität auf ein negatives Niveau zu senken;

  • zweitens, die weitere längerfristige Refinanzierungsgeschäfte bereitzustellen;

  • und drittens, Vermögenstitel direkt anzukaufen.

Wenn wir den Zinssatz der Einlagefazilität auf unter null Prozent absenken, würde aller Voraussicht nach zusätzlicher Abwärtsdruck auf das gesamte Zinsniveau entstehen – wenn auch das Ausmaß schwierig vorherzusehen ist. Jedenfalls, könnte dies den Anreiz für Konsum und Investitionen etwas stärken und dadurch zusätzliche Impulse für eine wirtschaftliche Erholung liefern.

Als positive Nebenwirkung könnte der Schritt auch zu einer konjunkturfördernden Umverteilung von Ressourcen innerhalb des europäischen Finanzsystems führen. Derzeit weisen einige Banken im Währungsgebiet einen hohen Liquiditätsüberschuss auf, den sie bei der EZB deponieren.

Ein negativer Zinssatz auf die Einlagefazilität könnte dazu führen, dass Banken ihre Überschussliquidität umwidmen. Statt das Geld zu einem Negativzins bei der Zentralbank zu horten, würde es attraktiver, der Realwirtschaft zusätzliche Kredite anzubieten.

Allerdings haben wir bisher kaum Präzedenzfälle. Es ist also schwer, diese positiven Effekte im Vorhinein zu quantifizieren. Außerdem stehen ihnen Kosten gegenüber.

Zum einen könnte die Maßnahme, statt das Kreditvolumen zu erhöhen, zu einer verstärkten Bargeldhaltung führen. Denn anstatt eines negativen Nominalzinses, würde Bargeld zumindest einen Null-Zins „erwirtschaften“. Den Weg in die Realwirtschaft würde das Geld jedoch in diesem Fall auch nicht finden.

Zum anderen würde ein negativer Zins auf die Einlagefazilität die Profitabilität der Banken beeinträchtigen, da die Überschussliquidität nun Kosten mit sich bringt. Die Profitabilität von Banken hat aus geldpolitischer Sicht natürlich keinen Selbstzweck. Doch es bestünde die Gefahr, dass die Banken die zusätzlichen Kosten auf ihre Kunden überwälzen würden. Im Resultat würden Guthaben bei Geschäftsbanken dann tendenziell weniger abwerfen und Kredite möglicherweise teurer werden. Beides würde der zugrundeliegenden Absicht zuwiderlaufen.

Wie sieht es aus mit der zweiten vieldiskutierten Maßnahme – der Bereitstellung weiterer längerfristiger Refinanzierungsgeschäfte?

Längerfristige EZB-Kredite verschaffen den Banken zusätzliche Planungssicherheit, da sie zu jedem Zeitpunkt einen kleineren Anteil ihrer Verbindlichkeiten refinanzieren müssen. Im Idealfall geben die Banken diese Planungssicherheit an die Realwirtschaft weiter, indem sie auch das längerfristige Kreditangebot ausweiten.

Und in der Tat gibt es Anzeichen, dass von den 3-Jahres-Refinanzierungsgeschäften, die die EZB Ende-2011 und Anfang-2012 bereitgestellt hat, derartige Effekte ausgingen. [1]

Doch auch längerfristige Refinanzierungsgeschäfte haben Risiken und Nebenwirkungen. Die Banken entscheiden sich nicht ausschließlich dazu, die zusätzliche Finanzierung an Unternehmen und Haushalte weiterzuleiten, sondern nutzen sie auch, um ihr Portfolio an Staatsanleihen auszuweiten. Dies wiederum verstärkt in Ländern mit fiskalischen Problemen den Teufelskreis zwischen ausufernden Staatsschulden und fragilen Banken.

Diesem Problem ließe sich teilweise Herr werden, indem Zentralbankkredite an bestimmte Verwendungen gebunden würden – beispielsweise an die Finanzierung von Unternehmen im Euroraum.

Allerdings würde eine derartige Vorgehensweise voraussetzen, dass die Zentralbank normative Urteile darüber trifft, welche Mittelverwendung zu unterstützen wäre und welche abzulehnen. Das wiederum stellt einen weitreichenden Eingriff in das Marktgeschehen dar.

Außerdem wäre es möglich, in den Märkten bestimmter Vermögenstitel zu intervenieren. Unter dem Akronym QE, sind derartige Programme mancherorts aufgelegt worden.

Das Ziel von QE ist es, langfristige Zinsen direkt zu beeinflussen. Zum Vergleich: unser geldpolitisches Standardinstrumentarium zielt darauf ab, die Langfristzinsen indirekt zu beeinflussen. Wenn wir die Leitzinsen senken, können sich Banken günstiger refinanzieren. Sie geben diesen Refinanzierungsvorteil typischerweise weiter an andere Sektoren mit länger laufenden Verbindlichkeiten.

Doch es gibt Situationen, in denen das Standardinstrumentarium nicht mehr greift – entweder weil die Leitzinsen sich nicht weiter senken lassen oder weil das Bankensystem geldpolitische Impulse nicht weitergibt. Hier können Kaufprogramme prinzipiell Abhilfe schaffen, da sie das Bankensystem umgehen.

In der „klassischen Variante“ von QE erwirbt die Zentralbank Staatsanleihen, um weiterhin eine expansive Geldpolitik zu verfolgen, selbst, wenn der Leitzins (fast) die Nulllinie erreicht hat.

Japan, die USA und das Vereinigten Königreich haben diesen Weg beschritten. Auch die Statuten der EZB sehen die Möglichkeit, des direkten Ankaufs von Wertpapieren am Sekundärmarkt vor. Im Euro-Währungsgebiet fehlt allerdings ein Zentralstaat, dessen Schuldtitel die EZB erwerben könnte. Portfolien von Staatsanleihen der Euro-Mitgliedstaaten zu definieren und dann zu erwerben, würde die EZB vor immense ökonomische, juristische sowie politische Herausforderungen stellen.

Aber auch direkte Käufe von privaten Wertpapieren bergen Risiken. Insbesondere setzt sich die Zentralbank dadurch einem höheren Bilanzrisiko aus. Wenn wir Banken Liquidität bereitstellen, verleihen wir Zentralbankgeld und verlangen dafür Sicherheiten. Direkte Wertpapierkäufe hingegen sind in der Regel nicht besichert.

Zudem könnte sich die Zentralbank dem Vorwurf ausgesetzt sehen, private Risiken in den öffentlichen Sektor zu überführen und damit im Endeffekt den Steuerzahler aufzubürden.

Auch stellt sich wieder das Problem, dass die Zentralbank eine Entscheidung darüber treffen muss, welche Vermögenstitel sie kauft und zu welchem Preis. Derartige Entscheidungen über eine zentrale Instanz zu fällen, ist ein Fremdkörper in einer Markwirtschaft.

Friedrich August von Hayek hat betont, dass nur der freie Markt im Preissystem alle relevanten Informationen abbilde und so eine sinnvolle Allokation gewährleiste. Den „Sozialingenieuren“, die eine Gesellschaft auf dem Reißbrett planen wollen, warf er die Anmaßung von Wissen ( pretence of knowledge) vor.

Nur in Ausnahmezuständen können direkte Käufe von Wertpapieren durch die Zentralbank dazu dienen, akutes Marktversagen zu korrigieren. In der Regel ist es jedoch vorzuziehen, dass die Gesamtheit der Marktakteure geeignete Preise ermittelt.

Schlussfolgerungen

Ich möchte abschließend kurz zusammenfassen.

Der Euroraum befindet sich auf dem Wege einer allmählichen Erholung. Wenn nicht neue unvorhergesehene Schocks eintreffen, werden wir ab nächstem Jahr wieder positive jährliche Wachstumsraten sehen.

Sollte die Notwendigkeit für weitere geldpolitische Maßnahmen entstehen, so stehen die dafür notwendigen Instrumente zur Verfügung. Worauf es ankommt ist, dass alle Akteure ihre jeweiligen Rollen verantwortungsvoll spielen: Banken, Unternehmen und private Haushalte, die öffentliche Hand und die Regulierer.

Die Währungspolitik ist vorrangig darauf bedacht, die langfristigen Inflationserwartungen stabil zu halten, auch in einer Zeit vorübergehend niedriger Preissteigerungen. Mit ihrem Preisstabilitätsmandat bleibt die EZB auch in dieser Lage ein verlässlicher Begleiter.

  1. [1]Siehe, z.B. Darracq-Paries, M und R. De Santis (2013), „A Non-Standard Monetary Policy Shock: the ECB’s 3-year LTROs and the Shift in Credit Supply“, ECB Working Paper No 1508.

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