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Zehn Jahre Euro: Errungenschaften und Aufgaben

Anmerkungen von Jean-Claude Trichet
Präsident der Europäischen Zentralbank
anlässlich der Feierlichkeiten des Europäischen Parlaments
zum zehnjährigen Bestehen des Euro
Straßburg, 13. Januar 2009

Sehr verehrter Herr Präsident,

verehrte Mitglieder des Europäischen Parlaments,

ich fühle mich sehr geehrt und es erfüllt mich mit großer Freude, an diesen Feierlichkeiten anlässlich einer der bedeutendsten Errungenschaften Europas, dem Euro, teilzunehmen.

Einer der Gründerväter Europas – Jean Monnet – sagte einmal, dass eine Idee, die den Bedürfnissen ihrer Zeit entspricht, nicht mehr den Menschen gehört, die sie erdacht haben, und mächtiger ist als diejenigen, die die Verantwortung für sie tragen. Laut Monnet gibt es keine „unreifen“ Ideen, man muss nur den richtigen Moment abwarten können.

Jahrzehntelang war die europäische Gemeinschaftswährung lediglich eine Idee, die einige wenige teilten. Viele andere vertraten die Auffassung, dass diese sich nicht umsetzen ließe oder fehlschlagen würde. Heute ist die einheitliche Währung für 329 Millionen Bürgerinnen und Bürger Realität. Eines Tages wird die Schaffung des Euro als ein entscheidender Schritt auf dem langen Weg zu einem „immer engeren Zusammenschluss“ der europäischen Völker angesehen werden.

Seit der Einführung des Euro genießen die Menschen in Europa ein Maß an Preisstabilität, das zuvor nur in wenigen Ländern des Euro-Währungsgebiets erreicht worden war. Diese Preisstabilität kommt allen Bürgerinnen und Bürgern direkt zugute. Sie schützt Einkommen und Ersparnisse und trägt zur Senkung der Finanzierungskosten bei, was wiederum Investitionen, die Schaffung von Arbeitsplätzen und den Wohlstand auf mittlere und lange Sicht fördert. Die Gemeinschaftswährung hat einen Beitrag zur Dynamik der europäischen Wirtschaft geleistet. Sie hat die Preistransparenz verbessert, den Handel verstärkt und die wirtschaftliche und finanzielle Integration innerhalb des Euroraums sowie im Hinblick auf die übrige Welt gefördert.

Die letzten Monate sind Zeugnis eines weiteren Vorteils des Euro: Die Finanzkrise zeigt, dass es in turbulenten Zeiten besser ist, sich auf einem großen und sicheren Schiff zu befinden als in einem kleinen Boot zu sitzen. Hätten wir in Europa ohne die uns verbindende Gemeinschaftswährung so rasch, entschlossen und kohärent handeln können? Wären wir in der Lage gewesen, viele einzelne nationale Währungen vor den Folgen der Finanzkrise zu bewahren? Ich denke, dass wir stolz sein können auf die Reaktionen von Europas Parlamenten, Regierungen und Zentralbanken. Gemeinsam haben wir gezeigt, dass Europa sogar unter schwierigsten Umständen in der Lage ist, Entscheidungen zu treffen.

Den historischen Erfolg des Euro verdanken wir der Entschlossenheit und Beharrlichkeit einer Reihe führender Persönlichkeiten, die eine Vision hatten. Der Erfolg ist auch das Ergebnis des effektiven Zusammenspiels der europäischen Institutionen. Dem Europäischen Parlament kam in der Anfangszeit eine entscheidende Rolle zu. Als erstes europäisches Organ legte es im Jahr 1962 Vorschläge für eine einheitliche Währung vor. In den letzten zehn Jahren, seit der Errichtung der EZB, stehen unsere Institutionen in einem sehr engen und fruchtbaren Dialog. Hierzu gehören auch die über 50 Anhörungen von Mitgliedern des EZB-Direktoriums vor diesem Parlament. Der Dialog zwischen dem Parlament und der EZB ist zu einem sehr wichtigen Austausch im Hinblick auf die Rechenschaftspflicht geworden, in dessen Rahmen die EZB die Möglichkeit hat, der Öffentlichkeit und deren gewählten Vertretern ihre Entscheidungen und Maßnahmen zu erläutern.

Sehr geehrte Damen und Herren,

in den ersten Jahren seines Bestehens hatte der Euro bedeutende Prüfungen zu meistern: die Errichtung einer soliden und glaubwürdigen Zentralbank sowie die Schaffung einer stabilen neuen Währung, der Vertrauen entgegengebracht wird. Diese Herausforderungen wurden erfolgreich bewältigt, und heute ist der Euro fest etabliert. Nun ist es sicherlich an der Zeit, diese Errungenschaften zu feiern. Es ist jedoch nicht der Moment, sich auf dem Erreichten auszuruhen. Die aktuellen Herausforderungen sind dringlich, und zweifelsohne werden neue auf uns zukommen. Der anhaltende Erfolg der Wirtschafts- und Währungsunion wird davon abhängen, wie diese Herausforderungen bewältigt werden. Hier liegt die Hauptverantwortlichkeit aller beteiligten Stellen.

Ich möchte drei große Herausforderungen erwähnen.

Erstens, die Finanzkrise. Die Krise hat grundlegende Schwächen im globalen Finanzsystem offenbart. Wir beteiligen uns aktiv an den weltweiten Bemühungen, diese Schwachstellen zu beheben und das regulatorische und institutionelle Rahmenwerk neu zu gestalten. Es liegt noch viel Arbeit vor uns.

Zweitens, die Wirtschaftsunion. Die Solidität der einheitlichen Währung basiert auf zwei Säulen: einer Geldpolitik, die klar auf Preisstabilität ausgerichtet ist, und einer gesunden Wirtschaftspolitik. Zu den besonderen wirtschaftspolitischen Herausforderungen zählen die strikte und glaubwürdige Umsetzung des Stabilitäts- und Wachstumspakts, das konstante Streben nach größerer Produktivität, Innovation und Dynamik der Wirtschaft sowie die Vermeidung großer Wettbewerbsunterschiede innerhalb des Eurogebiets.

Drittens, die Erweiterung. Vor zehn Jahren haben wir mit elf Ländern begonnen. Seit dem 1. Januar dieses Jahres gehören dem Euroraum 16 Länder an. Das sagt viel über unser historisches Unterfangen aus. Die Erweiterung bestmöglich umzusetzen, ist für uns alle eine sehr inspirierende und anspruchsvolle Herausforderung.

Der Euro ist eine historische Leistung. Was heute aber am meisten zählt, ist unsere Verantwortung für die Zukunft. Neue Herausforderungen kommen auf uns zu. Wenn wir diesen Herausforderungen mit größter Klarheit und Kühnheit begegnen, können sie zu den mächtigen Ideen führen, von denen Jean Monnet sprach, und die uns auf dem Weg zu Stabilität und Wohlstand in Europa so weit vorangebracht haben.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

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Europäische Zentralbank

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